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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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bereits verraten, Will Henry.«
    »Ich wusste nicht, wo Sie waren, deshalb habe ich –«
    »Nichts gemacht.«
    »Nach Ihnen gesucht.«
    »Hast du vielleicht gedacht, ich hätte im Schrankkoffer meines Vaters Zuflucht gesucht?«
    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht eine Nachricht hinterlassen.«
    »Warum sollte ich das tun?« Der Gedanke, dass er mir eine Erklärung seines Verbleibs schuldig sein könnte, war ihm fremd.
    »Sie sind auf den Friedhof gegangen?«, erkundigte ich mich. Am besten das Thema wechseln, dachte ich mir. Sein Ärger, wenn er erst einmal erweckt war, konnte schrecklich sein, und ich konnte erkennen, dass er schon gereizt war.
    Mein Trick funktionierte, denn er nickte und sagte: »Es gab wenigstens zwei Dutzend verschiedener Spuren. Wenn wir noch von vier bis fünf unreifen Jungtieren ausgehen, die in ihrem Bau, wo immer der sich befinden mag, zurückgeblieben waren, kommen wir auf eine Gesamtmenge von dreißig bis fünfunddreißig. Eine alarmierende und außerordentliche Zahl, Will Henry.«
    Beim Anblick des Huts in seiner Hand musste ich an meine eigene kleine Kappe denken, meine einzige Habe, die bei unserer wilden Flucht in der Nacht zuvor verloren gegangen war. Sollte ich mich erkühnen, ihn danach zu fragen? Er sah mein Starren und sagte: »Ich habe aufgeräumt, so gut es ging. Ihr Grab aufgefüllt, den Großteil unserer Ausrüstung geborgen und die kaputten Karrenteile im Wald verstreut. Mit ein wenig Glück können wir diese Angelegenheit vielleicht zu Ende bringen, bevor wir entdeckt werden.«
    Ich hätte vielleicht gefragt, weshalb Entdeckung in diesem Fall unerwünscht war, aber alles in seinem Verhalten deutete darauf hin, dass die Antwort auf diese Frage auf der Hand lag. Inzwischen glaube ich fast, dass die Antwort mehr mit seiner Entdeckung zu tun hatte, dass sein Vater möglicherweise in die Sache verwickelt war, als mit dem Risiko, einen Sturm der Panik auszulösen. Der Doktor sorgte sich mehr um den Ruf seines Vaters – und damit indirekt um seinen eigenen – als um das allgemeine Wohl.
    Vielleicht gehe ich zu streng mit ihm ins Gericht. Vielleicht glaubte er, dass der Schaden einer Entdeckung den Nutzen einer angemessenen Warnung, bevor die Monster wieder zuschlagen konnten, bei Weitem überwog. Vielleicht. Wiewohl ich es nach den vielen Jahren, die ich Zeit hatte, um über die Sache nachzudenken, bezweifele. Das Ego des Monstrumologen schien, wie ich schon bemerkt habe, genau wie das unermessliche Universum keine Grenzen zu kennen. Selbst während jener Perioden heftigster Schwermut, für die er anfällig war, bedeutete ihm nichts mehr als seine Wahrnehmung seiner selbst, sein Wert als Wissenschaftler und sein Platz in der Geschichte. Selbstmitleid ist im Grunde Egoismus reinsten Wassers – Ichbezogenheit in ihrer unverfälschtesten Form.
    »Ich gehe nach oben, um mich zu waschen«, fuhr er fort. »Pack den Koffer zusammen, Will Henry, und stell ihn weg. Sattle die Pferde und mach dir etwas zu essen. Mach fix jetzt!«
    Er entfernte sich durch die Diele, besann sich auf etwas, machte kehrt und warf den alten Hut und den blutigen Stoff ins Zimmer.
    »Und verbrenne die hier.«
    »Verbrennen, Sir?«
    »Ja.«
    Er zögerte einen Moment, kam dann mit großen Schritten herein und nahm das Tagebuch seines Vaters vom Tisch. Er drückte es mir in die Hand.
    »Und das, Will Henry«, sagte er. »Verbrenne das auch.«  
    Und ich verbrannte es, zusammen mit dem blutigen Fetzen Leichenhemd und dem ramponierten Strohhut, und ich kauerte mich einen Moment lang vor das knisternde Feuer im Kamin der Bibliothek, spürte seine Wärme auf meinen Knien und Wangen, meiner Nasenspitze, meiner Stirn, die sich vor Hitze straff anfühlte, als würde mir die Haut über den Schädel nach hinten gezogen. Nach dem Feuer, das das Leben meiner Eltern gefordert hatte, hatte ich mir eingebildet, dass ich noch tagelang Rauch an mir riechen konnte, in meinen Haaren und auf meiner Haut. Ich hatte mich mit Laugenseife geschrubbt, bis das Fleisch rot und wund war. Ich hatte mir eingebildet, dass der Rauch wie eine Dunstglocke um meine Person herum verweilte, und erst nach Wochen ließ diese Empfindung nach. In jenen paar Wochen jedoch war ich ohne Zweifel der sauberste zwölfjährige Junge in Neuengland.
    Obwohl ich völlig erschöpft und sehr hungrig war, war ich entschlossen, erst meine Arbeit in der Bibliothek zu Ende zu bringen, bevor ich mich in die Küche begab, um unsere Mahlzeit zuzubereiten. Ich

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