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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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ist, dass die Sünde des Vaters auf den Schultern des Sohnes lastet.«
    Er ließ die Zeitung auf den Stapel zurückfallen und presste sich die harten Knöchel gegen die Augen. »Wenn man es ›Sünde‹ nennen könnte«, murmelte er. »Eine Konzeption, die der Wissenschaft fremd ist, obschon den Wissenschaftlern weniger! Denn hier ist die kritische, wissenschaftliche Frage, Will Henry: Wie viele Anthropophagen sind in diese Breiten eingewandert? Die Antwort darauf ist der Schlüssel zu allem, denn ohne sie können wir nicht wissen, wie viele es jetzt sein mögen, nicht nur hier in New Jerusalem, sondern in ganz Neuengland. Der Befall könnte leicht ausgedehnter sein, als unsere Begegnung auf dem Friedhof schließen lässt.«
    Er studierte die Landkarte noch ein paar Sekunden lang, dann drehte er sich abrupt vom Tisch weg und stürzte so hastig davon, dass er den alten Schrankkoffer mit dem Fuß umstieß, als habe er die Augen der Gorgo bemerkt, in den Linien, die er eingezeichnet hatte, in dem drei Jahre lang unbeachteten Artikel, in der gequälten Handschrift eines toten Mannes aus einem längst vergangenen Herbst, und sei gezwungen wegzusehen, um sich nicht zu Stein zu wandeln.
    »Es wird allmählich spät«, sagte der Monstrumologe. »Uns bleiben nicht mehr als zwei, vielleicht drei Tage, bevor sie wieder zuschlagen. Geh jetzt, Will Henry, schnell, und gib die Briefe auf. Sprich mit niemandem und lass dich von nichts aufhalten. Geradeswegs hin und wieder zurück. Wir brechen heute Nacht nach Dedham auf.«

FÜNF
    »Zuzeiten bin ich recht einsam«

    Weniger als eine Stunde später, nachdem ich seinen Befehl peinlich genau befolgt hatte – geradeswegs zum Postamt und zurück, ohne Aufenthalte unterwegs, obwohl meine Route mich an der Bäckerei vorbeiführte, wo Muffins und frisches Brot mich mit ihren kraftvollen Düften in Versuchung führten –, kehrte ich zu dem Haus in der Harrington Lane zurück, wo ich mich, in der Erwartung, meinen Meister dort vorzufinden, geradeswegs in die Bibliothek begab, ihn dort jedoch nicht vorfand. Dort waren der Arbeitstisch, der mit seinen Forschungsunterlagen übersät war, der umgekippte Schrankkoffer, dessen Deckel wie ein gähnendes Maul weit offen stand und dessen Inhalt ringsum verstreut lag, das herausgewürgte Gewölle des Lebens seines Vaters, und der auf der Seite liegende Schrumpfkopf, der Mund erstarrt auf dem Scheitelpunkt eines Schreis – aber kein Pellinore Warthrop. Ich war durch die Hintertür herein- und auf meinem Weg in die Bibliothek durch die Küche gekommen und hatte ihn nicht gesehen. Ich kehrte in die Küche zurück, stockte vor der halb geöffneten Kellertür, aber unten brannte kein Licht, und aus der schwarzen Tiefe drang auch kein Laut nach oben. Nur für alle Fälle rief ich leise seinen Namen. Es kam keine Antwort. Vielleicht hatte er derselben bis auf die Knochen schmerzenden Übermüdung nachgegeben, die gegenwärtig seinen Assistenten plagte, und sich nach oben in sein Bett zurückgezogen, obwohl diese Möglichkeit lächerlich weit hergeholt schien. Wie ich schon festgehalten habe, schien der Doktor, wenn es ihn zum Handeln anspornte, unwillig oder unfähig, den normalen menschlichen Bedürfnissen nach Nahrungszunahme und Ruhe zu frönen. Er zehrte von irgendeiner geheimen Reserve, die ein flüchtiger Beobachter in seiner ziemlich hageren und knochigen Gestalt nicht vermutet hätte. Nichtsdestoweniger marschierte ich hoch in sein Zimmer. Das Bett war leer.
    Ich entsann mich meiner irrationalen Angst zuvor auf der Kellertreppe – hatte irgendeine Brut des Monsters, das unten hing, irgendwie überlebt? –, und kehrte hastig nach unten zurück und rief noch einmal seinen Namen durch die halb geöffnete Tür.
    »Doktor Warthrop? Doktor Warthrop, Sir, sind Sie da unten?«
    Stille. Ich machte kehrt und trottete durch die Diele, vorbei an der Bibliothek und hinein ins Studierzimmer. Auch dieser in Krisenzeiten bevorzugte Zufluchtsort war verlassen, ebenso wie das Empfangszimmer und jeder andere Raum unten. Gewiss hätte er, hätte er das Haus verlassen, eine Notiz dagelassen, um seine Abwesenheit zu erklären. Ich kehrte in die Bibliothek zurück. Als ich vor seinem Arbeitstisch stand, fiel mein Blick auf den Artikel, den er eingekreist hatte, denselben Artikel, der sein bemerkenswertes Gedächtnis in Gang gebracht hatte – Ich wusste, dass ich es schon mal gesehen habe!  –, und ich nahm die Zeitung, um ihn zu lesen:
    CAPT. VARNER WIEDER IN

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