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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Mrs. Bratton kam mit dem Whiskey und dem Aspirin, lehnte es jedoch ab, die Schwelle zu überqueren, und durchbohrte Warthrop mit Blicken, als ich ihr das Tablett abnahm.
    Mit unter den gegebenen Umständen bizarrer Gleichgültigkeit fragte sie: »Ich habe ein paar Preiselbeermuffins gebacken. Möchten Sie oder Ihr Junge eins?«
    »Nein, danke«, erwiderte der Doktor. Er schluckte kräftig. »Ich habe keinen Hunger.«
    »Wie Sie meinen«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. »Werden Sie sonst noch etwas brauchen, Doktor?«
    Er ignorierte sie. Sie sah mich an. Ich schaute weg. Sie ließ uns allein.
    »Mach die Tür zu, Will Henry«, sagte er leise. Er hob Varners Kopf an und steckte ihm vier Aspirin in den halb geöffneten Mund. Er drückte ihm die Flaschenöffnung an die blassen Lippen. »Trinken Sie, Hezekiah. Trinken Sie.«

    Während der nächsten Stunde driftete der Captain zwischen Ohnmacht und Bewusstsein hin und her; in beiden Zuständen murmelte er wirres Zeug, stöhnte und seufzte, ohne dass seine Augen, auch wenn sie geschlossen waren, einen Moment lang zur Ruhe kamen. Dr. Starr ließ sich kein einziges Mal blicken.
    »Diese Sache ist wie eine Hydra, Will Henry«, sagte Warthrop, während er Varners Stirn streichelte. »Für jedes gelöste Rätsel tauchen zwei neue auf. Wir wissen jetzt, dass nur zwei der Kreaturen an unsere Küste gebracht wurden. Wenn man eine durchschnittliche Geburtenrate von zwei Nachkommen pro Jahr voraussetzt und unter Berücksichtigung von Verlusten durch Unfall und Krankheit – und hier und da des Tods eines Männchens während der Brutzeit –, hat es den Anschein, dass beide die Havarie der Feronia überlebt haben müssen und das Rudel, auf das wir getroffen sind, die alleinige Nachkommenschaft des ursprünglichen Paars ist. Dreißig bis fünfunddreißig Individuen also … und nicht mehr.«
    Er seufzte. »Womit sich die Frage nach dem Warum stellt. Warum wollte mein Vater mehr als ein Exemplar? Wenn er ihre Spezies studieren wollte, sei es in der Wildnis oder in der Gefangenschaft der Benin, warum ist er dann nicht selbst nach Afrika gegangen? Meine Mutter war tot; ich war fort auf der Schule in London; es gab keine Bande, die ihn in New Jerusalem gehalten hätten. Er hatte in der Vergangenheit nicht gezögert, hinzugehen, wohin immer seine Nachforschungen ihn führten, und selbst riskante Expeditionen waren ihm nicht fremd. Er wollte lebende Exemplare hierher gebracht haben, und er zahlte ein fürstliches Honorar dafür. Warum?«
    Geistesabwesend strich er über die Stirn des alten Mannes, als könnte seine Fürsorge die Antwort hervorlocken. »Warum?«
    Weder der Sterbende noch ich hatten eine plausible Erklärung anzubieten: Er war bewusstlos, ich am Ende meinesDurchhaltevermögens angekommen. Ich saß auf dem Boden, den Rücken gegen die Wand gedrückt, unfähig, das Gähnen zu unterdrücken oder meine schweren Lider vom Herunterfallen abzuhalten. Die Gestalt des Doktors verschwamm vor meinen Augen und wurde wieder scharf, und das Geräusch seiner Stimme entschwand in die gedrängten Schatten des kleinen Zimmers. Das Summen der Fliegen, der ungleichmäßige Atem des Captains, das rhythmische Knarren des Schaukelstuhls, sogar die gedämpfte Symphonie der Heimgesuchten im Gang draußen – alles verschmolz in meinen Ohren zu einem einlullenden Brummen. Als das Morgengrauen nahte, schlief ich ein, nicht so der Doktor. Mit gebeugtem Rücken trug er die Last, die sein Vater ihm hinterlassen hatte. Er ruhte nicht; er hielt die Nachtwache. Zwar regte sich sein Körper nicht, doch sein Verstand raste.
    Ich wachte mit steifem Hals und sehr schlimmen Kopfschmerzen auf. Die dreckige Fensterscheibe filterte das Licht der verdienstlichen Morgensonne, deren Strahlen sich wie Wellen an der Kaimauer aus Staub und Schmutz brachen. Im Zwielicht konnte ich den Doktor erkennen, der immer noch in dem kleinen Schaukelstuhl saß, hellwach, das Kinn in die Hand gestützt, während er mit blutunterlaufenen Augen die unbewegliche Gestalt vor sich betrachtete. Zwischen Einschlafen und Erwachen hatte Warthrop die Decken über den Kopf des Captains gezogen.
    Hezekiah Varner war nicht mehr.
    Ich stand mit wackligen Beinen auf und stützte mich dabei an der Wand hinter mir ab. Der Doktor sah nicht in meine Richtung, aber er seufzte laut und fuhr sich übers Gesicht. Ich hörte, wie er mit der Hand über seine unrasierte Wange strich.
    »Es ist vorbei, Will Henry«, sagte er.
    »Es tut mir leid,

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