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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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auf den Boden und an die gegenüberliegende Wand –, sich neben mir niederließ, eine ähnliche Pose überdrüssiger Resignation einnahm, die Fäuste auf die schwarz geränderten Augen presste und sagte: »Ich bringe es nicht fertig, Will Henry.« Mit einem humorlosen Lachen fügte er hinzu: »Ich kann mich nicht entscheiden, was es ist, ein Triumph des Willens oder sein Versagen. Vielleicht ist es beides. Jetzt verstehst du, weshalb ich die Wissenschaft der Moral vorziehe, Will Henry. Was es ist . Was sein könnte, könnte nur sein. Sie haben ihn in diesem Bett liegen lassen, ohne ihn zu bewegen, bis sein eigenes Gewicht die entzündeten Stellen verursachte, in die die Fliegen ihre Eier gelegt haben, und jetzt hat diese Infektion seine Knochen erreicht. Er ist zum Tod verurteilt, Will Henry; es besteht keine Hoffnung auf Genesung.«
    »Aber wieso können Sie dann nicht …?«, flüsterte ich.
    »Weil ich meinen eigenen Motiven nicht traue. Ich weiß nicht, wessen Hände das Kissen halten würden, seine … oder meine.«
    Mit einem trübseligen Kopfschütteln stand er auf und hieß mich, dasselbe zu tun. »Komm, Will Henry. Auf uns wartet noch eine letzte Angelegenheit. Der Gegenstand dieser Angelegenheit nimmt endgültig die Gestalt von Verantwortung und Vergeltung an. Was ist mit den Fliegen , in der Tat! Die Maden, die sich von Varners Körper ernähren; die Würmer des Zweifels und der Schuld, die sich von meines Vaters Seele ernährten.Es gibt Monster wie die Anthropophagen, und dann gibt es da noch die Monster von banalerer Veranlagung. Was ist , ist immer noch, Will Henry, und wird immer sein!«
    Ohne einen Blick zurück schritt er durch den Flur. Ich hastete wie auf Wolken vor Erleichterung hinter ihm her, dass unser Aufenthalt dort sich seinem Ende näherte. Den langen Flur hinunter, in dem selbst zu dieser späten Stunde die Rufe und Schreie ertönten, das Kratzen und Brüllen der eingesperrten »Gäste« des Hauses, die enge, knarrende Treppe hinab in den Flur des Erdgeschosses, wo die mürrische Mrs. Bratton wartete, einen Klecks weißen Puders auf der hexenhaften Hakennase. Sie hatte sich eine Schürze umgebunden und ein gequältes, unnatürlich wirkendes Lächeln aufgesetzt.
    »Dann sind Sie also fertig mit dem Patienten, Doktor?«, fragte sie.
    »Ich bin nicht fertig!«, fuhr Warthrop sie an. »Allerdings ist er es fast. Wo steckt Starr?«
    »Dr. Starr hat sich zur Ruhe begeben«, antwortete sie steif; offenbar gefiel ihr Warthrops Ton nicht. »Es ist sehr spät.«
    Der Monstrumologe stieß ein bitteres Lachen hervor. »Ohne jeden Zweifel, meine gute Frau! Was haben Sie gegen Schmerzen hier?«
    Ein strenges Stirnrunzeln, das viel natürlicher als ihr Lächeln war, wurde sichtbar. »Gegen Schmerzen, Doktor?«
    »Laudanum … oder Morphium, falls Sie welches dahaben.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben Aspirin. Oder, wenn sich die Patienten besonders unwohl fühlen, erlaubt der Doktor ihnen ein oder zwei Schluck Whiskey.«
    »Beides wird in diesem Fall nicht viel nutzen«, sagte Warthrop.
    »Fühlt er sich denn schlecht?«, wunderte sie sich, ohne das Gesicht auch nur eine Spur zu verziehen. »Bei mir hat er sich nicht beklagt.«
    »Er wird den morgigen Tag nicht erleben«, sagte der Doktor, und seine Wangen röteten sich. Er musste offensichtlich jedes bisschen seiner unschätzbaren Selbstbeherrschung aufbringen, um sich davon abzuhalten, sie an ihrem dürren Hals zu packen und zu würgen. »Bringen Sie mir den Whiskey!«
    »Das kann ich ohne Genehmigung des Doktors nicht machen«, protestierte sie. »Und er hat strikte Anweisung hinterlassen, ihn nicht zu stören.«
    »Sie haben meine Erlaubnis, ihn zu ›stören‹, Mrs. Bratton«, knurrte Warthrop wütend. »Oder ich werde dafür sorgen, dass der Ortswachtmeister das für Sie erledigt.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte zur Treppe zurück. Mein Mut sank. Ich dachte, unser Aufenthalt würde, genau wie diese Nacht, niemals enden. Als wir am Sprechzimmer vorbeikamen, wies Warthrop mich an, mir den kleinen Schaukelstuhl am Kamin zu schnappen. Ich folgte ihm die Stufen hoch und schleppte den Stuhl mit.
    »Der Whiskey, Mrs. Bratton!«, rief er über die Schulter. »Und eine Flasche Aspirin!«
    Wir kehrten zu Varners Zimmer zurück. Warthrop hatte ihn wieder zugedeckt, aber der Geruch nach menschlicher Verwesung hing immer noch in der Luft. Ich stellte den Stuhl neben das Bett, Warthrop setzte sich, und die Totenwache begann.

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