Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
Vom Netzwerk:
legte ihm eine Hand auf den Unterarm; seine kleinen Schweinsäuglein behielt er jedoch auf mich gerichtet.
    »Du weißt, wer oben auf diesem Mistblock war, stimmt’s, Junge? Du weißt, was dein Doktor gefunden hat.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich zwang meine bebende Unterlippe zur Ruhe.
    »Und jetzt haben wir ein Problem, Will – und er ebenso. Wir haben ein Problem, und dein Doktor hat ein größeres Problem. Das hier ist eine ernste Angelegenheit, Junge. Das hier ist Mord.«
    »Dr. Warthrop hat niemanden ermordet!«
    Byrnes legte eine Papiertüte auf den Tisch. »Ach komm! Schau hier rein, Will!«
    Zitternd vor Angst guckte ich in die Tüte und schob sie dann mit einem leisen Aufschrei von mir. Er hatte sie vergessen, hatte sie im Operationssaal in die Tasche gesteckt und dann völlig vergessen.
    »Interessant, findest du nicht, Will? Was ein Mensch in seinen Taschen aufbewahrt. Ich habe meine Brieftasche und meinen Kamm darin, ein paar Zündhölzer … aber ein rarer Zeitgenosse, der Augenbälle mit sich herumträgt!«
    »Das sind nicht ihre«, keuchte ich.
    »Oh, das wissen wir. Falsche Farbe, zum einen.« Auf ein knappes Nicken Byrnes’ zur Tür hin öffnete O’Brian diese und ließ den Mann herein, den ich als Fredrico kannte. Sein Gesicht war totenblass; er hatte offensichtlich schreckliche Angst.
    »Ist er das?«, wollte Byrnes von ihm wissen, wobei er auf mich deutete.
    Der große Krankenpfleger nickte energisch. »Das ist er! Er war dort!«
    Byrnes sagte: »Du siehst, Will, wir wissen, dass der Doktor seine Technik aufpoliert hat –«
    »Das ist es nicht, was er gemacht hat! Das ist es ganz und gar nicht!«
    Er hielt die Hand hoch, um mich zum Schweigen zu bringen. »Und da ist noch etwas, was du wissen solltest. Es gibt noch ein anderes Verbrechen außer Mord. Man nennt es Beihilfe. Das ist bloß eine ausgefallene Art zu sagen, dass du mit uns sprechen musst , Will, wenn du dich nicht selbst hinter Gittern sehen willst, bis du so alt bist wie ich, und ich bin ziemlich alt.«
    Ich sank auf den Stuhl. Meine Gedanken weigerten sich, lange genug ruhig zu sein, als dass ich einen zusammenhängenden Satz hätte bilden können. Du weißt, wer oben auf diesem Mistblock war, stimmt’s, Junge?
    »Es war Mrs. Chanler, oder?«, fragte ich, als meine Zunge die Worte formen konnte.
    O’Brian grinste wie ein Ghul auf mich hinunter.
    »Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen, O’Brian«, sagte Byrnes auf seinem Weg nach draußen. »Bringen Sie es auf die übliche Art aus ihm raus, nur lassen Sie das Gesicht sauber.«
    Die »übliche Art« – bevor sie von einem charismatischen jungen Reformer namens Theodore Roosevelt abgeschafft wurde – begann mit Beleidigungen. Beschimpfungen, Flüche, Drohungen. Diese entwickelten sich dann weiter zum Ruppigen – Spucken, Schlagen, Ohrfeigen, Kneifen, An-den-Haaren-Ziehen. Von einem typischen Verdächtigen konnte man erwarten, dass er irgendwo gegen Mitte des Ganzen einbrach. Selten hielt er bis zur dritten und letzten Stufe durch, die das Brechen der Daumen oder das Zufügen eines Nierenrisses beinhalten mochte. Es gab Gerüchte, dass manche Staatsbürger in einem Leichensack aus dem Vernehmungszimmer getragen werden mussten, in welchem Fall das vorzeitige Hinscheiden sorgsam mit einer lächerlichen Erklärung vertuscht wurde – Hatte einen Herzanfall und ist tot umgefallen, das arme Schwein! – , denn fürwahr ein armes Schwein war derjenige, dessen Gesicht Frikadellenfleisch ähnelte.
    O’Brian befolgte seine Befehle. Er beschädigte mein Gesicht nicht. Aber in jeder anderen Hinsicht wandte er die bewährte Methode zum Herausholen von Geständnissen aus widerspenstigen Zeugen an.
    Er schrie mir ins Gesicht: »Dein feiner Doktor wird hängen! Es ist aus mit ihm – und mit dir , wenn du nicht redest!«
    Er brüllte: »Meinst du, wir wären blöd, Junge? Ist es das, was du meinst? Meinst du, wir wissen nichts von dem Mountie und diesem Frankokanadier? Wie er den einen umgebracht hat, um die Tatsache zu vertuschen, dass er den andern umgebracht hat? Meinst du, wir wären beschränkt? Und dieser fette Böhme im Bellevue – glaubst du wirklich, irgendein Neunzig-Pfund-Schwächling hat ihm das Messer geklaut und ihn dann wie ein Schwein ausgeweidet? Für was für Dummköpfe hältst du uns?Dein Doktor kennt sich aus mit Leichen, was? Er hat seinen Teil an ›Exemplaren‹ aufgeschnitten, stimmt’s? Weiß, wie man sie ordentlich aufschneidet, genau wie er dem schwarzen

Weitere Kostenlose Bücher