Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo
Begriff, die Funktion einzustellen. Außer wund gelegenen Stellen, die zu erwarten sind, kann ich keine äußeren Verletzungen finden, und innerlich gibt es keine Anomalien oder Verletzungen, obschon es unter diesen Bedingungen schwierig ist, das mit Bestimmtheit zu sagen. Er hat leichtes Fieber, scheint jedoch nicht an Ruhr oder sonst etwas zu leiden, das ihn umbringen könnte, bevor wir ihn zurückschaffen können.«
Hawk blickte nervös um sich und liebkoste dabei den Abzug der Winchester, als erwartete er jeden Moment, Räuber aus dem Unterholz hervorbrechen zu sehen.
»Tja, da bin ich ganz und gar dafür, jetzt, wo wir ihn haben!«
»Ich auch, Sergeant. Wir brauchen nur zu warten, bis er gehfähig ist –«
»Was meinen Sie mit ›gehfähig‹? Meinen Sie warten, bis er gehen kann?« Er warf einen kurzen Blick auf den komatösen Mann zu seinen Füßen. »Wie lange?«
»Schwer zu sagen. Seine Muskeln sind atrophiert, seine Lebenskraft durch die Tortur untergraben. Es könnte ein oder zwei Wochen dauern.«
»Ein oder zwei Wochen! Nein. Nein.« Hawk schüttelte heftig den Kopf. »Das geht nicht, Doktor! Wir können keine zwei Wochen in den Wäldern verbringen. Zum einen sind da unsere Vorräte, und dann ist da das Wetter. Noch bevor zwei Wochen um sind, werden wir den ersten richtigen Schnee der Saison kriegen!«
»Ich bin für Vorschläge offen, Sergeant. Sie haben Augen so wie ich. Sie können sich selbst ein Bild von der Verfassung des bedauernswerten Mannes machen.«
»Wir werden ihn raustragen. Du lieber Gott, er kann nicht mehr wiegen als Will hier.«
»Das durch dieses Gelände zu tun könnte sich als fatal erweisen.«
»An einem Sonntagnachmittag über die Straße zu gehen könnte sich als fatal erweisen, Warthrop. Wenn Will mein Gewehr und meinen Rucksack nehmen kann, könnte ich ihn tragen.«
Er bückte sich, um Chanler vom Waldboden hochzuheben, und wurde von Warthrops Hand auf seiner Brust aufgehalten.
»Ich bin gewillt, es auf die Naturgewalten ankommen zu lassen, Sergeant«, sagte der Doktor steif.
»Tja, wissen Sie was? Ich nicht! Ich weiß nicht, was es mit Ihnen und diesem Monstrumologieding auf sich hat, aber es ist wie Bärenkacke an den Stiefeln – folgt einem auf Schritt und Tritt und ist höllisch schwer loszuwerden.«
Er stieß meinem Herrn mit einem Finger gegen die Brust.
»Ich werde machen, dass ich hier rauskomme, Doktor. Es steht Ihnen frei, mit mir zu kommen, oder Sie können Ihr Glück versuchen und den Weg hinaus selbst suchen.«
Einen Moment lang bewegte sich keiner der beiden Männer, ineinander verkrallt in einer Probe der Willenskraft – eine Probe, die Warthrop nicht bestand. Er fuhr sich mit der Hand durchs dichte Haar und seufzte laut. Er blickte Chanler an; er blickte mich an. Er betrachtete den Streifen grauen Himmels, der vom Blätterdach abgeschnitten wurde.
»Na schön«, sagte er, »aber es ist meine Last.«
Er schob die Arme unter die gebrechliche Gestalt und erhob sich wackelig mit dem ausgezehrten Körper. Chanlers Stirn drückte gegen Warthrops Halsansatz.
»Ich werde ihn tragen«, sagte der Doktor.
ZEHN
»Es kann den Verstand eines Mannes zerbrechen«
Unsere Flucht nach Rat Portage ging quälend langsam vonstatten. Warthrop verlangte oft nach einem Halt, um Chanlers Lebenszeichen zu überprüfen und zu versuchen, mehr Wasser in ihn hineinzubekommen. Wer das Tempo ebenfalls drosselte, war Sergeant Hawk – oder vielmehr Sergeant Hawks Bemühungen, sich im Nebel zurechtzufinden. Dieser wurde dichter, je weiter der Tag voranschritt, ein farbloses Miasma, das den Pfad verbarg und den Wald mit schemenhaften Schatten und huschenden Erscheinungen bevölkerte, ein gefundenes Fressen für die Vorstellungskraft, die darin Vorboten des Verderbens zu erkennen wusste. In diesem grauen Land der gedämpften Geräusche und des geborgten Lichts wurde uns der Atem aus den Mündern gerissen und an den Boden gefesselt.
Um vier Uhr war das Licht praktisch verschwunden. Wir schlugen das Lager für die Nacht nicht weiter als sieben Meilen vom Ufer des Sandy Lake und noch einige Meilen vom Grab von Pierre Larose entfernt auf. Der Doktor ließ seine Last behutsam zu Boden und sank an einem Baum zusammen. Seine Atempause währte nur ein oder zwei Minuten; schnell war er wieder auf den Beinen und bemutterte Chanler, wischte ihm die Stirn ab, hob seinen Kopf an, um noch ein bisschen mehr Wasser seine Kehle hinunterzuzwingen, rief ihn mit lauter Stimme – aber Chanler
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