Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo
Hohn lachte, eine Finsternis, die mit zermalmender Gewalt herabdrückte. Ich fing an, John Chanler und die fiebrige Vergessenheit, in der er weilte, zu beneiden.
Und ich machte mir Sorgen um den Doktor. Selbst an seinen schlechtesten Tagen daheim in der Harrington Lane, wenn er sich in sein Bett zurückzog und stundenlang dort blieb, jeden Schlaf und jede Nahrungsaufnahme verweigernd, versunken in einer Melancholie, die so tief war, dass er nichts mehr machen konnte außer atmen, selbst jene Tage schienen frühlingshell im Vergleich zu dem, was er jetzt ertrug. Und er ertrug es für jemand anders als sich selbst, eine niederschmetternde Offenbarung für mich, der ich ihn bis zu diesem Punkt für den egozentrischsten Menschen auf dem Kontinent gehalten hatte. Sein Gesicht wurde ausgemergelt, die Augen wichen in die Höhlen zurück, sein Mantel hing an ihm wie ein leeres Kleidungsstück an einem Bügel. Langsam aber sicher begann er dem Mann zu ähneln, den er trug.
Ich drängte ihn zu essen und sich auszuruhen, schimpfte mit ihm wie ein Elternteil und hielt ihm vor Augen, dass er seinem Freund nicht von Nutzen war, wenn er demselben Schicksal unterlag. Er ertrug mein Schelten und geriet nur selten in Wut, außer bei einer unvergesslichen Gelegenheit, als er mir mehr als eine Viertelstunde lang eine Standpauke hielt. Sie hätte vielleicht noch länger gedauert, aber Hawk setzte ihn davon in Kenntnis, dass er ihm eine Kugel in den Hinterkopf jagen würde, wenn er nicht die Klappe hielte.
Nachdem das letzte Stückchen Schiffszwieback und der letzte Räucherspeck aufgezehrt worden war, schulterte der Sergeant das Gewehr und stapfte in den Wald hinein, in dem er für den Rest des Nachmittags verschwunden blieb. An diesem Tag kamen wir nicht voran. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam Hawk zurück, mit leeren Händen. Er ließ die Waffe auf den Boden fallen, sank vor dem Feuer zusammen und sprach leise vor sich hin, wobei er sich unablässig die Lippen befeuchtete und mit dem Handrücken den Mund abwischte.
»Nichts«, murmelte er. »Nichts. So etwas habe ich noch nie gesehen. Meilenweit nichts.«
Er hob die Augen zum Himmel. »Nicht einmal ein Vogel. Nichts. Nichts.«
»Nun ja, wir haben immer noch einander«, sagte der Doktor tröstend und versuchte, seine Laune zu heben. »Sie wissen schon, die Option der Donner-Reisegruppe.«
Hawk starrte ihn ausdruckslos, mit offen stehendem Mund an, und ich dachte, der Doktor, der seine eigenen Grenzen so gut kannte, konnte wirklich nicht ganz auf der Höhe sein, wenn er sich an Humor auch nur versuchte. Es war absurd, so wie ein Mann, der zu fliegen versuchte, indem er mit den Armen schlug.
Der Hunger wurde zum neuesten Mitglied unserer Gesellschaft, weit stärker und weit widerstandsfähiger als der Rest von uns, und wir waren die ausgedörrten Knochen, an denen er nagte. Wenn wir anhielten, war es keine echte Rast. Hawk und ich bahnten uns dann den Weg ins Unterholz, pflückten Beeren, gruben essbare Wurzeln aus, wie beispielsweise Pfeilkraut und Schuppenwurz, kniffen die Köpfe von Bovisten ab, schälten die Rinde von Hickorys ab, die wir aufkochten, um sie weich zu machen. (Dieser »Rindeneintopf« war auch der Verdauung förderlich, informierte mich der Sergeant, und eine einheimische Verabreichung zur Behandlung von Durchfall und Geschlechtskrankheiten.) Wir sammelten auch Wolfsfuß, ein immergrünes Moos, das in Hülle und Fülle auf dem Waldboden wuchs unddichte, nadelartige Blättchen hatte, die Hawk aufkochte, um eine Art Kräutertee herzustellen. Er schmeckte scharf und bitter – der Doktor spuckte seinen ersten Schluck aus –, doch Hawk sammelte das Moos weiterhin. Die Sporen waren leicht entzündlich, und er machte sich ein Vergnügen daraus, sie ins Feuer zu werfen und den darauf folgenden strahlend weißen Lichtblitz zu beobachten.
Jeden Tag standen wir ein bisschen schwächer als am Tag zuvor auf und machten jeden Abend ein bisschen hungriger halt. Unsere Augen nahmen den gehetzten, leeren Ausdruck langsamen Verhungerns an, und unsere Stimmen klangen dünn in der windstillen Luft. Wir stolperten unbeholfen den Pfad entlang, durch tote Grasniederungen, überquerten die öden Meilen des Brûlé , der weglosen, eingeschneiten Wüste, deren graues Himmelsgewölbe von den schwarzen Säulen astloser Bäume gestützt wurde. Es war hier, wo wir das erste Lebenszeichen seit unserer Flucht vom Sandy Lake erspähten. Ich zupfte Hawk am Mantel und zeigte auf sie, die
Weitere Kostenlose Bücher