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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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dass er auf dich aufpasst, oder für dich, dass du auf ihn aufpasst. Denke immer daran, dass Gott uns keine Last aufbürdet, die wir nicht tragen können. Denke daran, dass es nirgendwo absolute Finsternis gibt, aber hier« – er presste die Hand auf mein Herz – »gibt es absolutes Licht. Versprich Meister Abram, dass du das nicht vergisst!«
    Ich versprach es ihm. Er nickte, blickte Warthrop an, nickte wieder.
    »Ich werde jetzt gehen«, sagte er.
    * * *
    »Tja, Will Henry«, sagte der Monstrumologe, nachdem von Helrung mit der Menge verschmolzen war. »Jetzt sind es wieder nur wir beide.« Und dann machte er auf dem Absatz kehrt und schritt ohne einen Blick zurück davon. Ich eilte ihm hinterher. Es schien, als eilte ich ihm immer hinterher.
    Zurück durchs Hotel und hinaus durch den Haupteingang und hinein in den Hansom, genau denselben Hansom, den wir wenige Minuten zuvor verlassen hatten. Der Kutscher rief hinunter: »Zum Great Western am Paddington, Meister?« Die Bemerkung überrumpelte Warthrop; er lachte tatsächlich.
    »Charing-Cross-Bahnhof, mein guter Mann! Bringen Sie uns in zwanzig Minuten oder weniger hin, ist ein Extrashilling für Sie drin!«
    »Dr. Warthrop!«, schrie ich, als er hineinsprang. »Unser Gepäck!«
    »Ich habe die Anordnungen schon getroffen; es wird in Dover auf uns warten. Jetzt komm rein! Jede Minute ist kostbar!«
    * * *
    Wir verpassten den letzten Dampfer nach Calais um zehn dieser kostbaren Minuten. Warthrop stand am Kai in Dover und schrie dem Schiff Verwünschungen hinterher, während es auf den Horizont zutuckerte. Er schüttelte die Faust und brüllte wie Lear gegen den Sturm, bis ich dachte, die berühmten weißen Klippen könnten bersten und ins Meer stürzen.
    Es blieb uns nichts anderes übrig, als bis zum Morgen zu warten. Wir nahmen uns ein Zimmer in einer Herberge in Gehweite vom Hafen. Warthrop trank eine Kanne Tee. Er starrte aus dem Fenster hinaus. Er probierte das Bett aus, erklärte es für zu kurz (die meisten Betten waren das für ihn; in Strümpfen war er knapp über sechs Fuß und zwei Inch groß), zu ungleichmäßig und gänzlich zu klein für uns beide, um bequem darin zu schlafen. Er schickte mich los, um an der Rezeption nach einem größeren Zimmer zu fragen oder, stattdessen, einem größeren Bett – was beides nicht verfügbar war.
    Es wurde spät. Im Zimmer wurde es stickig. Er öffnete das Fenster, ließ eine angenehme Meeresbrise und das Geräusch der Brandung herein, und wir legten uns zum Schlafen hin. Er drehte sich hin und her und wälzte sich herum und stieß mir mit dem Ellbogen ins Ohr und beschwerte sich über mein schweres Atmen, darüber, dass ich zu viel Platz beanspruchte, über »diesen seltsamen Geruch, der Heranwachsenden eigen ist«. Schließlich konnte er es nicht länger aushalten. Er schleuderte die Decke herunter, stürzte aus dem Bett und fing an, seine Kleider anzuziehen.
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte er. »Ich werde einen Spaziergang machen.«
    »Ich komme mit!«
    »Es wäre mir lieber, wenn du hierbliebst.« Er warf sich den Mantel über, spürte etwas in der rechten Tasche – seinen Revolver. Er erinnerte ihn an etwas.
    »Ach, meinetwegen!«, sagte er verärgert. »Dann komm halt mit, wenn es sein muss, aber bitte verhalte dich ruhig, damit ich nachdenken kann. Ich muss nachdenken!«
    »Ja, Sir«, sagte ich und zog mich an. »Ich werde versuchen, Ihnen nicht zur Last zu fallen, Sir.«
    Die Bemerkung, wie der Revolver, erinnerte ihn an etwas. Er ergriff meine linke Hand und hielt sie ins Lampenlicht, um meine Verletzung zu untersuchen.
    »Es ist gut verheilt«, verkündete er. »Wie sieht’s mit der Beweglichkeit aus?«
    Ich machte eine Faust. Ich spreizte die Finger weit.
    »Sehen Sie?«, fragte ich. »Ein Teil davon ist weg, aber es ist immer noch meine Hand.«
    * * *
    Wir gingen hinaus an den Strand, und die Sterne waren sehr hell, und der Mond stand hoch am Himmel, und die emporragenden Klippen im Nordosten glänzten perlmuttweiß. Links von uns waren die Lichter von Dover. Rechts von uns war das Dunkel des offenen Wassers. Der vom Wasser kommende Wind war stärker und kälter als der Wind, der durch unser Fenster gekommen war. Ich zitterte; ich hatte meine Jacke auf dem Zimmer gelassen.
    Der Monstrumologe drehte sich abrupt um und ging an den Rand des Wassers. Er blickte auf den vage abgegrenzten Horizont, die dünne Linie zwischen schwarz und grau.
    » Pour ainsi dire «, sagte er leise. »Wie bringt man

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