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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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jemanden ›sozusagen‹ um, Will Henry?«
    Ich erzählte ihm, was mit Thomas Arkwright passiert war. Er war schockiert. Er sah mich an, als hätte er mich noch nie zuvor gesehen.
    »Und das Pwdre ser zu benutzen war deine Idee?«
    »Nein, Sir. Ihm damit Angst einzujagen war meine Idee. Es war Dr. Torrances Idee, es tatsächlich zu benutzen.«
    »Trotzdem. Es gab nur eine Person in diesem Raum, die selbst gesehen hatte, was Pwdre ser mit einem Menschen anstellt.«
    »Ja, Sir. Deshalb habe ich ja vorgeschlagen, dass wir es benutzen.«
    »Deshalb hast du …?« Er holte tief Luft. »Es verläuft eine sehr dünne Linie zwischen uns und dem Abgrund, Will Henry«, sagte er. »Für die meisten ist sie wie diese Linie da draußen, wo das Meer den Himmel trifft. Sie sehen sie. Sie können nicht leugnen, was ihre Augen ihnen bescheinigen, aber sie überqueren sie nie. Sie können sie nicht überqueren; auch wenn sie tausend Jahre danach jagen, wird sie für immer bleiben, wo sie ist. Ist dir klar, dass unsere Rasse mehr als zehn Jahrtausende gebraucht hat, um diese einfache Tatsache zu erkennen? Dass die Linie unerreichbar ist, dass wir auf einer Kugel und nicht auf einer Scheibe leben? Die meisten von uns jedenfalls. Menschen wie Jacob Torrance und John Kearns … Diese Art von Menschen lebt immer noch auf einer Scheibe. Verstehst du, was ich meine?«
    Ich nickte. Ich dachte, ich verstünde.
    »Das ausgesprochen Seltsame und Ironische daran ist, dass ich dich zurückgelassen habe, damit du nicht mit ihnen auf einer Scheibe leben musst.«
    Ich dachte an den Siegelring von Jacob Torrance und hob trotzig das Kinn. »Ich habe keine Angst.«
    »Hast du nicht?« Er schloss die Augen und atmete tief den Geruch der See ein.
    * * *
    Früh am nächsten Morgen gingen wir an Bord des ersten auslaufenden Schiffes, und etwas von Warthrops Besorgnis verflüchtigte sich, auch wenn sie sich immer noch am Rande seiner Erleichterung darüber, endlich unterwegs zu sein, herumtrieb.Er ging auf dem Vordeck auf und ab, ohne der schwindenden englischen Küste auch nur einen Blick zu gönnen. Er interessierte sich nicht dafür, was hinter ihm lag.
    Ich hingegen schon. Ich wollte hören, was passiert war, wie er den Ursprung des Nidus ex magnificum entdeckt hatte; wie – oder ob – er John Kearns gefunden hatte; und die Einzelheiten darüber, wie er von Thomas Arkwright verraten worden war. Jedes Mal jedoch, wenn ich das Thema anschnitt, wich er ihm mit einem Kopfschütteln aus oder missachtete meine Bitten gänzlich. Ich kam allmählich zu der Erkenntnis, dass die Angelegenheit ihm peinlich sein musste. Sie verletzte sein Ego, und sein Ego war nicht von dem Schlage, der sich mühelos auch nur vom kleinsten Kratzer erholt.
    Am Seebahnhof in Calais sicherten wir uns Plätze in einem Schlafwagenabteil für die Fahrt gen Süden nach Luzern, wo wir umsteigen wollten für die letzte Etappe unserer Überlandreise nach Brindisi an der Adria. Der Rest unserer Expedition nach Sokotra würde per Schiff unternommen werden, eine betrübliche Aussicht; die Erinnerung an meinen letzten Anfall von Seekrankheit war immer noch recht frisch.
    Der Zug war eine überfüllte, rollende Stadt Babel – Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, dazu ein paar hineingeworfene Brocken Ägyptisch, Farsi und Hindi. Jede Rasse, Religion und Klasse war vertreten, von der gut situierten englischen Familie auf einem ausgedehnten Urlaub bis zum ärmsten indischen Einwanderer auf der Rückkehr nach Bombay, um die Familie zu besuchen, die er zurückgelassen hatte. Es gab Geschäftsleute und Zigeuner, Soldaten und Krämer, alte Männer mit breiten Hüten und Neugeborene mit Häubchen. Und überall der Geruch nach Rauch und menschlichem Schweiß, Geschrei, Gelächter, Gesang und Musik – ein Getöse von Schifferklavieren und Geigen, Mundharmonikas und Sitars. Es verzauberte mich und machte mir Angst, dieses rollende, behelfsmäßige Dorf, diese reiche Auswahl an Menschentum. Während der Doktor sich in unserem Schlafwagen verkroch, den er nur dreimal täglichzu den Mahlzeiten verließ, machte ich es mir zur Angewohnheit, den Zug von einem Ende zum andern zu durchstreifen. Das war dem Ertragen der unheimlichen Stille, die Warthrop wie eine Wolke des Verderbens umgab, bei Weitem vorzuziehen. Er beschwerte sich nicht über meine Wanderungen; er bemerkte bloß, dass ich vorsichtig sein solle, um mich nicht noch irgendeiner seltenen Infektion auszusetzen. »Ein

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