Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
Güte!«, sagte er, als er Awaale taxierte. »Du bist aber ein großer Afrikaner!«
»Behalt ihn im Visier, Awaale!«, befahl mein Herr. »Wenn er sich bewegt, erschieß ihn!«
Er kniete vor Kearns’ Opfer nieder. Ihr war sauber durch den Hinterkopf geschossen worden.
»Bist du verletzt?«, fragte Warthrop mich besorgt. Ich schüttelte den Kopf. Rasch untersuchte er das Baby und nahm es dann aus meinen Armen.
»Und wieder einmal habe ich dir das Leben gerettet, Master Henry!«, sagte Kearns spöttisch. »Nicht dass ich Buch führen würde. Warthrop, ich dachte, Sie wären tot … oder wahnsinnig … oder beides – also habe ich halbwegs recht … oder unrecht. Wie alles andere hängt es ganz davon ab, wie man es betrachtet. Wird dieser ausgesprochen große Afrikaner mich jetzt erschießen, weil ich Ihrem Assistenten das Leben gerettet habe?«
»Wer ist dieser Mann?«, wollte Awaale wissen.
»John Kearns, dieser Name genügt, oder du kannst mich bei meinem afrikanischen Namen nennen, Khasiis . Und du bist Awaale, was ›glücklich‹ bedeutet, glaube ich.«
Awaale nickte. »Und ich weiß, was Ihr Name bedeutet, Khasiis John Kearns.«
»Schön. Und nun, da wir einander ordnungsgemäß vorgestellt wurden, schlage ich vor, dass wir dieses Licht löschen und so schnell wie möglich Schutz suchen. Die Helligkeit zieht sie an wie Motten die Flamme; das wissen Sie doch bestimmt, Pellinore.«
Der Doktor wusste es. Er wies mich an, das aufgegebene Gewehr aufzuheben, und befahl Kearns, vorauszugehen, dicht gefolgt von Awaale, zurück zu unserem kleinen Unterschlupf. Warthrop und ich folgten ihnen, während das Kind sich in seinen Armen wand und wimmerte. Die Tränen hatten Streifen durch sein schmutziges Gesicht gezogen, und sein Mund schimmerte von der Milch seiner toten Mutter. Als wir die Spalte im Fels erreichten, löschte der Monstrumologe die Lampe.
»Ich kann Sie immer noch sehen!«, warnte Awaale den Engländer.
»Wirklich? Dann hast du die Augen einer Katze – oder eines Fäulers.«
»Wo stecken Ihre Freunde, Kearns?«, fragte der Doktor gebieterisch.
»Was für Freunde? Ah, Sie meinen die Russen! Tot. Bis auf Sidorov. Der ist möglicherweise nicht tot … noch nicht. Nicht die Augen einer Katze, aber allemal die Leben!«
»Dann war es also Sidorov, dem Sie das Magnificum angeboten haben!«
»Das Magnificum ? Nun ja, ich denke schon. Ich bot ihm an, ihn zu seinen Nistplätzen zu bringen – aber das Biest selbst, das blieb ihm und seinem Freund dem Zaren überlassen.«
»Und?«, herrschte Warthrop ihn leise an. »Hat er es gefunden?«
»Nun, ja – beziehungsweise es hat ihn gefunden.«
Der Doktor zischte durch die Zähne. Jemand war ihm bei dem Preis zuvorgekommen, und dann noch der schlimmstmögliche Rivale, ein Schandfleck der Gesellschaft, der sogar aus ihrausgeschlossen worden war, ein wissenschaftlicher Scharlatan, der den ganzen Ruhm dafür einheimsen würde, als Erster den Vater aller Monster zu Gesicht bekommen zu haben.
Kearns deutete die Reaktion des Doktors richtig und sagte: »Aber, aber, seien Sie nicht böse auf mich! Immerhin habe ich Ihnen den Nidus geschickt.«
»Warum haben Sie ihn mir geschickt, Kearns? Hätten Sie ihn nicht gebraucht, um Sidorov davon zu überzeugen, dass Sie die Wahrheit sagen?«
»Ach, die Wahrheit!«, sagte Kearns geringschätzig.
»Sie wussten, dass ich kommen würde, um nach Ihnen zu suchen.«
»Na ja, dieser Gedanke kam mir in den Sinn. Und Sidorov ebenfalls. Er war nicht besonders glücklich, als ich ihm erzählte, dass ich den Nidus Ihnen geschickt hatte, um ihn sicher zu verwahren. ›Nicht der !‹, sagte er. ›Nicht Warthrop !‹« Kearns’ russischer Akzent war tadellos. »Und ich sagte: ›Ach, Warthrop ist doch gar nicht so übel, ein feiner Kerl für einen Wissenschaftler und verdammten Moralisten.‹«
»Das erklärt Rurick und Plešec.«
Kearns lachte. »Oh, schön ! Die beiden schreien förmlich nach einer Erklärung!«
»Aber nicht Arkwright.«
»Wer ist Arkwright?«
»Sie kennen Arkwright nicht?«
»Sollte ich Arkwright kennen?«
»Sie haben den locus ex magnificum den Briten angeboten.«
»Ich glaube nicht, dass ich mich dazu äußern sollte, außer zu sagen, dass ich ein ergebener Diener Ihrer Majestät der Königin bin.« Er hob die Stimme: »Gott schütze die Königin!«
»Wenn Sie mit ihm fertig sind«, sagte Awaale zu Warthrop, »würde ich ihn gern töten.«
»Na, du bist aber ein blutrünstiger Afrikaner! Wo
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