Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
erinnerten mich an die knochigen Stacheln, die aus Mr Kendalls Gesicht hervorgebrochen waren.
Den Doktor sah ich nicht; er war im wirbelnden Weiß verborgen. Ich sah die glitzernden Zähne des Bergs und seine gebrochenen Knochen, und dann, ein paar Schritte weiter, stieß ich auf die erste Leiche, stark verwest und von Aasfressern reichlich gefleddert, der Bauch aufgeplatzt, der Hohlraum wie ein großer schwarzer, gähnender Mund. Die Hälfte seines Gesichts war ihm weggerissen worden, und in einer leeren Augenhöhle hatte es sich ein Skorpion gemütlich gemacht. Ein Windstoß zerrte an den Überresten des papiernen Fleischs, das noch an seinen Knochen haftete, und ein paar Stücke rissen ab und schossen in die Höhe wie heiße Asche in der überhitzten Luft eines Feuers.
Hinter mir hörte ich Kearns sagen: »Dies ist sein Maul. Wenn Typhoeus’ Kinder spüren, dass das Ende gekommen ist, schleppen sie ihre faulenden, aufgedunsenen Körper an diese Stelle auf dem Gipfel der Welt, wo sie explodieren – manche, nachdem sie gestorben sind, andere davor. Ich habe die atmenden Leichname seiner Kinder mit der Gewalt einer Granate auseinanderfliegen sehen … Und die Winde kommen herunter. Sie heben die blutigen Eingeweide auf und führen sie meilenweit mit sich, bis sie als roter Regen aus einem klaren blauen Himmel fallen.«
Er zog mich vorwärts, der Nebelvorhang zog sich zurück, und ich sah Hunderte von Körpern, erstarrt im Todeskampf, zusammengeschrumpelt zwischen den Felsen, ausgestreut um die glänzenden, spitzen Säulen herum, und sie wurden zahlreicher, als wir weitergingen, bis es fast unmöglich wurde, nicht auf sie zu treten. Vorsichtig suchten wir uns einen Weg durch des Magnificums überreiche Ernte, und die dünne Luft war schwül vom schweren Geruch der Fäulnis, der vom Dreschboden aufstieg.
Wir gelangten an eine flache Mulde in der Erde, die Überreste eines alten Höhlensees. Kearns wies mich auf die mit gekrümmtem Rücken knienden Gestalten der noch Lebenden hin, die überall auf dem trockenen Seebett verstreut waren, jeder neben einem toten Bruder und alle mit etwas beschäftigt, das sie zärtlich auf dem Schoß hielten. Kearns presste einen Finger auf den Mund, um mir Ruhe zu signalisieren. Er kauerte nieder und bedeutete mir, seinem Beispiel zu folgen, und führte mich dann am Ufer der unfruchtbaren Senke entlang. Er brachte mich nahe – aber nicht zu nahe – an einen knienden Mann heran, dessen Gesicht von den Knochenhörnern, die aus seinem Schädel wuchsen, in Stücke geschlagen worden war, dessen schwarzen Augen jedes Weiß fehlte, dessen Mund offen stand und eine verwirrende Fülle dornenartiger Wucherungen enthüllte und dessen eiternde Finger mit äußerster Zartheit an dem Gegenstand rupften und zupften, der zwischen seinen Beinen ruhte. Ich wusste es zu dem Zeitpunkt nicht, aber dieses menschliche Wrack war einmal ein Mann namens Anton Sidorov gewesen.
»Dies sind seine Hände«, raunte Kearns mir ins Ohr. »Die Hände des Magnificums. Es ist mir ein Rätsel; ich begreife nicht, was sie dazu zwingt, den Nidus zu bauen, aber sie arbeiten tagelang ohne Unterlass daran, bis zu dem Moment, wo sie zusammenbrechen.«
Der Erschaffer des Nidus weinte. Von tief in seinem Rachen drang ein Wimmern, ein unartikuliertes, protestierendes Jammern, als ob die unwiderstehliche Kraft, die ihn antrieb, ihn auch abstieße und die Spannung zwischen ihnen – dem Ihm und dem Nicht-ihm – eine Welt zerbrechen könnte.
»Hörst du es, Will?«, flüsterte Kearns aufgeregt. »Das ist die Stimme des Magnificums , das letzte Geräusch am Ende der Welt!«
Der Einstmals-Sidorov griff nach unten zu dem entweihten Körper, der zusammengerollt an seiner Seite lag, und zog dessen leblose Hand an seine Brust. Mit einem gequälten Seufzer brach der Un-Sidorov den Zeigefinger ab. Es knirschte leise, als er ihnvon der Hand der Leiche abzog. Er beugte sich wieder vor, um das Glied ins »Nest« einzubauen.
Plötzlich grunzte das kniende Kind von Typhoeus , sein Rücken krümmte sich, sein Mund klaffte auf, und ein zähflüssiger Strom einer klaren Flüssigkeit brach aus seinem Mund und ergoss sich auf seine Arbeit. Nicht die Fäule der Sterne. Nicht der Speichel von Monstern. Nicht Pwdre ser , sondern Pwdre ddynoliaeth – die Fäule der Menschheit.
Und John Kearns flüsterte in mein Ohr: »Siehst du es jetzt? Du bist das Nest. Du bist das Junge. Du bist die Chrysalis. Du bist die Brut. Du bist die
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