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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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letzte Verbliebene sich buchstäblich zu Tode frisst.«
    Der Doktor lachte trocken, während er geistesabwesend das glatte Gewebe von Kendalls Gehirn streichelte, und fügte hinzu: »Ich meine, er frisst sich selbst zu Tode. Wenn alle anderen tot oder davongelaufen sind, wendet er sich gegen sich selbst und frisst von seinem eigenen Körper, bis er entweder verblutet ist oder sich eine Infektion zugezogen hat. Nun, du siehst ja den Inhalt von Mr Kendalls Magen; ich glaube nicht, dass er seine Zunge versehentlich verschluckt hat.«
    Er wies mich an, ein großes Probenglas mit Formaldehyd zu füllen, in welches er das Gehirn vorsichtig hineingleiten ließ. Als ich das Glas aufs Regal wuchtete, wurde mein Blick von einem in der Nähe stehenden Behälter angezogen, einem, den ich vorher noch nicht gesehen hatte. Es dauerte einen Moment, bis ich erkannte, was in der gelbbraunen Flüssigkeit schwebte.
    »Ist das …«
    »Jawohl«, antwortete er.
    »Sie haben ihn aufbewahrt?«
    »Na ja, ich wollte ihn nicht einfach mit dem Abfall wegwerfen.«
    »Aber warum haben Sie … Was haben Sie damit vor?«
    »Ich dachte, ich reiße eine Seite aus Mrs Shelleys Buch heraus und konstruiere einen anderen Jungen, einen, der mir nichtmit Fragen auf die Nerven geht, der davon absieht, sich zum ungünstigsten Zeitpunkt schwer verletzen zu lassen, und der es nicht als seine Lebensaufgabe ansieht, über jede einzelne meiner Entscheidungen zu urteilen, als sei er von Gott zu meinem Gewissen ernannt worden.« Das darauf folgende Lächeln war schnell und humorlos. »Es ist ein wichtiges Beweisstück. Verzeih mir. Ich dachte, das verstünde sich von selbst. Wenn ich Zeit habe – was im Augenblick ganz bestimmt nicht der Fall ist –, werde ich eine gründliche Analyse durchführen, um festzustellen, ob du tatsächlich infiziert warst.«
    Einen langen Moment starrte ich meinen Finger an, der in der Flüssigkeit schwebte. Es ist überaus sonderbar, ein Stück von sich getrennt von sich selbst zu sehen.
    »Falls ich es nicht war, so will ich es nicht wissen«, sagte ich.
    Er setzte zu einer Antwort an, überlegte es sich dann jedoch anders und nickte knapp. »Ich verstehe.«
    * * *
    Als Nächstes öffnete der Monstrumologe Mr Kendalls Rumpf, um die wichtigen Organe zu entnehmen. Er fand zahlreiche sackartige Wucherungen vor – »omentale zystische Läsionen« nannte er sie –, die das Mageninnere auskleideten. Als er mit der Skalpellspitze leicht in eine davon drückte, platzte sie mit einem kaum hörbaren Pompf! auf und vergoss eine klare, viskose Flüssigkeit von schleimiger Konsistenz.
    Nachdem die Organe konserviert und die Gläser ordentlich beschriftet worden waren, war es Zeit, sich der, wie Warthrop sich ausdrückte, »endgültigen Bestimmung« zu widmen.
    »Die Knochensäge bitte, Will Henry. Nein, die große da.«
    Er begann, indem er Mr Kendalls ausgehöhlten Kopf entfernte. »Das Erdreich ist viel zu hart, als dass wir den Leichnam vergraben könnten«, sagte er, während er durch den Hals sägte. »Und bis zum Tauwetter im Frühjahr zu warten, kann ich mir nicht leisten. Wir werden ihn verbrennen müssen, Will Henry.«
    »Was ist, wenn jemand kommt, der nach ihm sucht?«
    »Wer denn? Er floh schnell, in einem Zustand extremer Angst. Vielleicht hat er niemandem etwas gesagt. Aber nehmen wir einmal an, er hat es doch. Was wissen der- oder diejenigen dann? Sie wissen, dass er kommen wollte; die Möglichkeit oder die Mittel, sie darüber zu informieren, was geschah, als er angekommen war, hatte er nicht. Sollten die Behörden Fragen stellen, so kann ich jederzeit sagen, ich sei dem Mann nie begegnet, dass er ja vielleicht aufgebrochen sein mag, um mich zu finden, dies ihm aber letzten Endes nicht gelungen sei.«
    Ohne viel Federlesens ließ er den abgetrennten Kopf in den leeren Waschzuber neben dem Nekropsietisch fallen, in denselben Waschzuber, in den er meine blutigen Hände getaucht hatte. Der Kopf landete mit einem erschreckend lauten Geräusch und rollte auf die Seite; das offene rechte Auge (das linke war vom Monstrumologen zu Studienzwecken entfernt worden) schien mich direkt anzustarren.
    »Einen Lichtblick gibt es bei dieser unangenehmen Wende der Ereignisse«, meinte der Doktor, als er Mr Kendalls rechtes Bein vom Rumpf abtrennte. »Was die Authentizität von Dr. Kearns’ ›Geschenk‹ betrifft, so haben wir jeden Zweifel daran ausgeräumt. In unserem Besitz befindet sich der zweitgrößte Preis in der

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