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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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so alt, dass ich im Notfall nicht meinen Mann stehen kann«, erwiderte der Österreicher heftig. »Meine Knie sind zwar nicht mehr das, was sie einmal waren, aber mein Herz ist stark …«
    Der Monstrumologe legte seinem alten Freund die Hand auf die Schulter. »Das stärkste Herz, das ich je gekannt habe, Meister Abram, und das treueste.«
    »Du kannst diese Bürde nicht alleine schultern!«, redete ihm von Helrung eindringlich zu. »Manche Bürden, lieber Pellinore, sind unmöglich wieder abzulegen, wenn man sie erst …«
    Das Schrillen der Klingel unterbrach ihn und veranlasste meinen Herrn dazu, sich rasch und beunruhigt zur Tür umzudrehen.
    »Du erwartest jemanden?«, wollte er wissen.
    »Das tue ich, aber auf sein Drängen hin, nicht auf meine Einladung«, antwortete von Helrung unbeschwert. »Sei unbesorgt, mein Freund . Ich habe ihm nichts erzählt … nur dass ich dich heute erwarte. Er will dich unbedingt kennenlernen, und wie du weißt, habe ich ein weiches Herz; ich konnte nicht ablehnen.«
    Kaum hatte unser Gastgeber die Tür einen Spalt weit geöffnet, als sein Besucher sich auch schon den Weg ins Vestibül bahnte. Er blieb nicht stehen, nicht einmal, um von Helrung Hut und Handschuhe zu übergeben, sondern raste in den Salon, um sich förmlich auf den Doktor zu stürzen.
    Er war jung, Anfang zwanzig, schätzte ich, groß, athletisch gebaut, modisch gekleidet (ein bisschen von einem Stutzer, war mein erster Eindruck von ihm), hatte dunkles Haar und ein hageres Gesicht. Mit seinen hohen, knochigen Wangen und der spitzen, leicht gekrümmten Nase hätte man ihn auf eine aristokratische Art für attraktiv halten können – das »Hohle-Blick«-Aussehen, das unter den privilegierten Schichten so häufig war. Er ergriff energisch die Hand meines Herrn, riss sie regelrecht an sich, wobei er so fest zudrückte, dass Warthrop zusammenzuckte.
    »Dr. Warthrop, ich kann meinem tief empfundenen Entzücken, Sie endlich kennenzulernen, gar keinen Ausdruck verleihen, Sir! Es ist wahrhaftig … nun, eine Ehre, Sir! Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich mich derartig aufdränge, aber als ich hörte, dass Sie nach New York kämen, konnte ich die Gelegenheit einfach nicht verstreichen lassen!«
    »Pellinore«, sagte von Helrung. »Darf ich dir meinen neuen Schüler vorstellen, Thomas Arkwright, von den Long-Island-Arkwrights.«
    »Schüler?« Warthrop runzelte die Stirn. »Ich dachte, du hättest dich vom Unterrichten zurückgezogen?«
    »Herr Arkwright ist äußerst beharrlich.«
    »Es ist alles, was mir jemals wirklich wichtig war, Dr. Warthrop«, sagte Thomas Arkwright von den Long-Island-Arkwrights, »schon als ich so alt wie Ihr Sohn hier war.«
    »Will Henry ist nicht mein Sohn.«
    »Nicht?«
    »Er ist mein Assistent.«
    Thomas riss vor Verwunderung die Augen auf. Er taxierte mich mit neuem Respekt.
    »Ich glaube nicht, dass ich je von einem so jungen Assistenten gehört habe. Wie alt ist er, zehn?«
    »Dreizehn.«
    »Schrecklich klein für dreizehn«, stellte Thomas fest. Er warf mir ein schnelles, gönnerhaftes Lächeln zu. »Du musst sehr gescheit sein, Will.«
    »Nun«, sagte der Doktor, und dann sagte er nichts mehr.
    »Ich komme mir jetzt ausgesprochen alt vor, schrecklich im Rückstand mit meinem Studium«, scherzte Thomas. Er wandte sich an Warthrop. »Ich hätte mich nie beworben, wenn ich gewusst hätte, dass Sie bereits einen Lehrling haben.«
    »Will Henry ist nicht direkt mein Lehrling.«
    »Nein? Was ist er dann?«
    »Er ist …« Der Doktor starrte auf mich herunter. Genau genommen starrten alle drei Männer mich an. Die Stille war erdrückend. Was genau war ich für Pellinore Warthrop? Ich wand mich in meinem Sessel.
    Schließlich zuckte der Monstrumologe die Schultern und drehte sich wieder zu Thomas um. »Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, Sie hätten sich nie beworben?«
    »Nun, bei Ihnen in die Lehre zu gehen, Dr. Warthrop.«
    »Es stimmt«, gab von Helrung zu. »Ich bin nicht Thomas’ erste Wahl.«
    »Ich erinnere mich nicht, Ihre Bewerbung bekommen zu haben«, sagte mein Herr.
    Thomas schien geknickt. »Welche? Ich habe zwölf geschickt.«
    »Wirklich?« Warthrop war beeindruckt.
    »Nein, nicht wirklich. Dreizehn eigentlich. Zwölf klang irgendwie weniger verzweifelt.«
    Zu meinem Schrecken lachte der Monstrumologe. Das kam so selten vor, dass ich dachte, er hätte sich an einem Stück Teekuchen verschluckt.
    »Und ich habe nie eine davon beantwortet?« Mit einem Stirnrunzeln, das

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