Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
schob sie in eine Kammer und schlug die Trommel zu. Dann, ohne weiteres Vorspiel, machte er einen Schritt nach vorn und drückte Arkwright die Mündung auf die fein geschnittene Stirn.
Unser Gefangener zuckte nicht mit der Wimper. Seine grauen Augen blickten Torrance unerschrocken ins Gesicht. »Nur zu; drücken Sie ab! Sie machen mir keine Angst.«
»Ich will dir gar keine Angst machen«, entgegnete Torrance. Er ließ dem gefesselten Mann die Waffe in den Schoß fallen und sagte: »Ich will dir eine Geschichte erzählen. Es ist eine meiner Lieblingsgeschichten, die von einem sehr guten Freund von mir geschrieben wurde, der zufällig der amtierende Weltmeister im Hotdogessen ist. Er hat zweieinhalb Hotdogs, plus Brötchen , in sechzig Sekunden gegessen. Es ist schwer, sich seinen Lebensunterhalt mit Hotdogessen zu verdienen, daher hat er sich dem Schreiben zugewandt – was zwar etwas besser bezahlt wird, aber nicht halb so viel Ruhm abwirft wie der Verzehr von zweieinhalb Wienern in einer Minute – plus der Brötchen. Es sind die Brötchen, die das Beeindruckende sind. Die Geschichte ist ziemlich berühmt; du hast wahrscheinlich schon davon gehört.
Es war einmal ein sehr gemeiner König. Er hatte eine schöne Tochter, die er, ungeachtet der Tatsache, dass er sehr gemein war, sehr liebte. Nun, eines Tages ist ihm diese seine geliebte Tochter ungehorsam und verliebt sich in einen Burschen unter ihrem Stand – einen Bürgerlichen, mit andern Worten. Das machte den gemeinen König sehr, sehr böse, und so was ist eine schlimme Sache, wenn man der Geliebte dieser Prinzessin ist. Der König warf den armen Schlucker ins fieseste, feuchteste, finsterste Verlies – gar nicht so verschieden von diesem Ort. Er wollte ihn schon umbringen, aber der gemeine König war ein alter Weichling, wenn es um seine Tochter ging, die genauso todunglücklich wie Julia war über das Pech ihres Geliebten – sprich, dass er aus dem falschen Mutterleib geboren worden war.
Also bringt der gemeine König ihn nicht um, aber, o Mann, er stellt ihm vielleicht eine fiese Falle! Er steckt ihn in diese große, abgeriegelte Arena rein, eine Art Kolosseum, so wie’s die Römer hatten, und in der Arena gibt es zwei identische Türen. Hinter der einen Tür ist eine sehr gut aussehende Frau – kein echter Hingucker wie die Prinzessin, aber doch mehrere Grade von nicht schlecht entfernt. Hinter der andern Tür ist ein wilder, menschenfressender Tiger. Der Gefangene muss sich für eine Tür entscheiden – kein Zwang, es liegt ganz bei ihm. Wenn er die Tür aufmacht, hinter der sich die Lady versteckt, muss er sie heiraten – die Bis-dass-der-Tod-uns-scheidet-Art von Heirat, oder der gemeine König wird ihn töten. Öffnet er die Tür zu dem Tiger … Na ja, man kann sich den Ausgang vorstellen.
Jetzt denkst du vielleicht: ›Also ich wüsste ja, welche Tür ich mir aussuchen würde!‹ Aber halt! In dem Moment, als er wählen will, sieht er nach oben und erblickt die Prinzessin. Ah, die wahre Liebe wird triumphieren! Das Gute wird die maßlose Gemeinheit überwinden! Denn sie weiß tatsächlich, was hinter jeder Tür ist. Und siehe, als er zu ihr hochblickt, schnippt sie mit dem Finger nach rechts – was bedeutet: ›Wähle die Tür rechts; vertrau mir!‹
Nun, ihr Geliebter mag ein Bürgerlicher gewesen sein und mag nicht alle Vorteile einer königlichen Erziehung genossen haben, aber er war kein Einfaltspinsel. Er fängt an, darüber nachzudenken. Er fängt an, sich zu fragen, wie sein Liebchen sich wohl fühlen würde, wenn sie zusehen müsste, wie ihre wahre Liebe den Rest seines Lebens in den Armen einer anderen, wenngleich ein oder zwei Grade weniger schönen Frau verbringt. Hatte dieses Fingerschnippen deshalb bedeutet: ›Das Essen istangerichtet!‹? Oh, aber nicht doch, denn: ›Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht …‹ Zu wollen, dass er in Stücke gerissen und vor dem König und dem Hof und ihr gefressen wird? Ausgeschlossen! Also muss hinter der rechten Tür die Lady sein.
Aber halt! Habe ich erwähnt, wer die Lady ist? Sie ist der Tochter des Königs wohlbekannt, eine Frau, die sie verachtet, mit jeder Faser ihres Wesens hasst, wenn es also sie hinter der rechten Tür ist, wird die Prinzessin gezwungen sein, zuzusehen, für den Rest ihres Lebens mit anzusehen, wie diese verhasste Kreatur hat, was sie, die königliche Prinzessin, nicht haben kann. Und ihr bedauernswerter Geliebter
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