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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Ordnung. Der Grund, weshalb ich Arkwright nicht gefragt habe, ist Warthrop. Es war nicht nötig, dass Arkwright mir etwas erzählt, das ich aus erster Hand erfahren kann.«
    »Und was bringt Sie zu der Überzeugung, dass …«
    »Wieso sollte man den Jagdhund zurück in seinen Zwinger stecken, wenn man den Fuchs noch nicht gefangen hat? Warthrop hatte seinen Zweck erfüllt: Er hatte die Heimat des Magnificums gefunden. Die wirklich interessante Frage ist jetzt –«
    Sein Kopf ruckte herum; er musste mich aus dem Augenwinkel heraus gesehen haben.
    »Und da ist er!«, sagte er. »Wie Lazarus nach drei Tagen aus dem Grab! Nur dass Lazarus eine gesündere Gesichtsfarbe hatte.Halten Sie Abstand, Mr Henry, und begeben Sie sich zur Reling, falls Sie erneut ein Gefühl der Übelkeit überkommt! Ich habe diese Schuhe gerade frisch poliert. Na, wo steckt denn dieser Steward? Mein Glas ist leer und meine Kehle trocken!«
    Er entschuldigte sich und schritt ohne das geringste Schwanken in seinem Gang von dannen. Je mehr er trank, so schien es, desto robuster wurde er.
    Von Helrung klopfte einladend auf die Lehne des Schaukelstuhls, den Torrance geräumt hatte, und ich setzte mich. Dass Leute es als angenehm empfanden, auf dem schlingernden Deck eines Ozeandampfers in einem Schaukelstuhl zu sitzen, war verblüffend, gelinde gesagt.
    »Manchmal hört sich Dr. Torrance wie er an«, sagte ich.
    »Warthrop?«
    »Kearns.«
    Von Helrung nickte; seine Miene war traurig. »Ich muss dir leider zustimmen, mein Freund Will. Als ich jünger war, habe ich mich oft gefragt, ob die Monstrumologie die Finsternis aus den Herzen der Menschen herausgeholt oder sie überhaupt erst damit erfüllt hat. Inzwischen glaube ich, es liegt nicht am Wesen der Monstrumologie, sondern am Wesen des Menschen. Die Wahrheit ist uns unbequem, wie es die Wahrheit oft ist. In jedem Herzen wohnt ein John Kearns.«
    * * *
    Was er ist, das sind Sie im Innern , hatte ich dem Monstrumologen gesagt.
    An unserem letzten Abend auf See schlüpfte ich, weil ich nicht schlafen und das Rumoren des Bäuchleins des alten Monstrumologen nicht länger ertragen konnte (von Helrung klagte regelmäßig über Verdauungsstörungen), aus der Kabine und begab mich aufs Vorderdeck. Der Nordatlantik war unruhig in dieser Nacht; getrieben von einem schneidenden Südwestwind, warfen sich die Wogen wütend krachend gegenden Bug. Das Deck hob und senkte sich, hob und senkte sich, hoch zum wolkenverhangenen Firmament, dann herunter zum dunklen, kalten Wasser, als balancierte unser Schiff auf einem Hebelpunkt, schwankend und schaukelnd zwischen Himmel und Hölle. Ich erspähte zwei Möwen, die immer wieder kurz im Licht der Positionslampen auftauchten, doch das war das einzige Leben – und einzige Licht –, das ich sah. Es gab keinen Horizont; die Welt war schwarz vom Scheitel bis zur Sohle. Ich hatte das schwindelerregende Gefühl, ganz klein in einem riesigen Raum zu sein, wie ein Staubkorn, das im Protouniversum schwebt, bevor die Sonne geboren wurde, bevor das Licht die Dunkelheit zurückdrängte.
    Die Welt ist groß, lieber Will, und wir, ganz gleich wie gern wir anderes vorgeben würden, wir sind ganz klein.
    Am nächsten Tag würde mein Exil enden. Aber das war das Einzige, was enden würde. Falls Torrance recht hatte und Warthrop wusste, wo das Magnificum zu finden war, dann war unsere Rettungsaktion nicht das Ende.
    Ich ziehe es vor, dem Licht zu dienen , hatte er mir einmal gesagt. Auch wenn diese Knechtschaft oft im Dunkel liegt.
    Exakt in diesem Augenblick war der Moment des Gleichgewichts zwischen Licht und Dunkel, der Moment zwischen vorher und nachher.
    Ich stand im Begriff, etwas zurückzulassen. Es war greifbar nahe gewesen. Ich hätte nur die Hand ausstrecken und zugreifen müssen. Stattdessen hatte ich zugesehen, wie es im Kamin des Schlafzimmers am Riverside Drive verbrannt war, als die Frau, die gesungen hatte, um mich an dem lichtlosen Ort zu trösten, einen Briefumschlag in die Flammen geworfen hatte.
    Ich stand im Begriff, mich etwas zu nähern. Ich glaubte zu begreifen, was es war. Mein Platz ist beim Doktor , hatte ich gesagt – die Feststellung einer Tatsache und auch ein Versprechen. Ich dachte, ich wüsste, was ich nach dem Ende unseres Exils, des Doktors und meinem, zu erwarten hatte. Ich begriff den Preis des Dienstes am Monstrumologen – oder glaubte es zumindest.Jedes Mal, wenn ich mir die Hände wusch, wurde ich daran erinnert.
    In jener Nacht auf dem

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