Der Montagsmann: Roman (German Edition)
abhoben. Oder dass sich in seinen Augen der strahlend blaue Farbton seines Hemdes widerspiegelte. Oder waren die von alleine so blau?
»Ich habe von einem Mann geträumt«, sagte sie langsam.
»Das passiert mir dauernd«, warf Natascha ein. »Diese Albträume sind mir die liebsten.«
»Der Mann war groß und blond und sah ein bisschen aus wie ein Wikinger. Sein Gesicht kannte ich irgendwoher, aber seinen Namen habe ich nicht geträumt.«
»Wieso war es ein Albtraum?« Fabio trank von seinem Kaffee. Schwarz, mit zwei Löffeln Zucker, wie Isabel registrierte.
»Er hat mich verfolgt, und ich spürte, dass er böse Absichten hatte. Er wollte mich heiraten.«
Natascha verschluckte sich, und Isabel streckte unwillkürlich die Hand aus, um ihr auf den Rücken zu klopfen. »Besser?«
Natascha nickte. »Geht schon wieder. Heiraten – ein Albtraum, wie? Das hat mir schon meine Großmutter dauernd gepredigt, als sie noch lebte. Kindchen, sagte sie immer, tu es nicht, sonst bist du bis an dein Lebensende mit einem Bier trinkenden, furzenden Ungeheuer geschlagen. Das böse Erwachen kommt schnell, hat sie gesagt. Abends gehst du mit einem Teufelskerl ins Bett, und am nächsten Morgen liegst du neben einem Montagsmann. Ich hab ihren Rat immer beherzigt. Montagsmänner sind nicht mein Fall. Heiraten – das ist für mich ein absolutes Tabu.« Sie hob die Schultern. »Na ja, sagen wir: fast. Schließlich habe ich jahrelang in Vegas gearbeitet. Da gehört Heiraten praktisch zum Geschäft. Ein- oder zweimal hab ich es auch gemacht. Das Gute ist: Drüben gehen auch die Scheidungen schnell.« Sie wandte sich zu Isabel um. »Was ist, fertig mit Frühstücken? Gehen wir putzen?«
»Ich habe auch von einer Frau geträumt«, sagte Isabel, ohne auf Nataschas letzte Bemerkung einzugehen. »Sie hieß Daphne. Das heißt, ich habe nicht wirklich von ihr geträumt, ich habe sie nicht in meinem Traum gesehen. Nur den Namen. Kennt ihr zufällig jemanden, der Daphne heißt?«
»Ich hatte als kleiner Junge mal ein Bilderbuch über ein Schwein, das hieß Daphne«, sagte Harry.
»Der Name passt gut zu einem Schwein«, meinte Natascha. »Er klingt irgendwie fett.« Sie griff nach einem Croissant und tunkte es in ihren Kaffee. »Apropos. Ich sollte das nicht machen. Dieses Teil hat mehr Kalorien als eine Flasche Bier. Aber der Klempner hat gesagt, er steht auf füllige Weiber.«
»Dann kannst du ja von Glück sagen, dass du nicht Daphne heißt.« Isabel merkte erst, dass sie diejenige war, die das gesagt hatte, als Natascha sich abermals verschluckte und Harry in dröhnendes Gelächter ausbrach.
Auch Fabio, der sich bisher aus der Unterhaltung weitgehend herausgehalten hatte, grinste amüsiert.
Isabel fühlte sich unter seinen Blicken eigentümlich befangen. »Was meintest du eigentlich vorhin mit: Heute ist der erste Probelauf? « Sie stellte die Frage, nur um etwas von sich zu geben. »Falls die Frage blöd ist – sorry, aber ich weiß es nicht besser.« Ihre letzte Äußerung klang in ihren eigenen Ohren patzig, doch es half ihr, sich weniger hilflos zu fühlen.
»Die Frage ist nicht blöd.« Fabios Stimme klang überraschend sanft. »Keine deiner Fragen ist blöd, okay?« Sein Akzent war mit einem Mal stärker hörbar als sonst, eine Veränderung, die in Isabel ein merkwürdiges Prickeln auslöste. Sie wich seinen Blicken aus und fragte sich, ob er ihr ansehen konnte, was sie dachte. Ihr war soeben die Geschichte mit den Karnickeln wieder eingefallen.
»Mit Probelauf meinte ich, dass wir – Natascha, Harry und ich – eine Menüfolge kochen, die wir für den Tag der Eröffnung vorgesehen haben. Natürlich nur im kleinen Rahmen.«
»Soll ich auch mithelfen?«
»Nur wenn du möchtest.«
»Natürlich möchte sie«, sagte Natascha. »Womit soll sie sonst den ganzen Abend die Zeit totschlagen? Allein auf dem Bett hocken und fernsehen?«
Isabel fühlte sich auf unbestimmte Art erleichtert. Der gestrige Abend war ihr tatsächlich aufs Gemüt geschlagen. Im Krankenhaus hatte ihr wenigstens noch die meiste Zeit über die alte Frau Gesellschaft geleistet. Die hatte von sich selbst auch nichts weiter gewusst als den Vornamen – Mathilde. Zwar lag das bei Mathilde am Alzheimer, aber das Ergebnis war in etwa dasselbe.
»Wir sollten das jetzt mit der Putzerei nicht länger rausschieben«, sagte Natascha.
I sabel betrachtete ihre Fingernägel, oder genauer: die kaum noch vorhandenen Reste. Zwei der hochglänzenden Verlängerungen hatten sich
Weitere Kostenlose Bücher