Der Montagsmann: Roman (German Edition)
viel Zeit. So viel, wie Sie brauchen.«
S ie brachte es nicht über sich, in Trainingsanzug und Turnschuhen – Letztere mussten vom selben Grabbeltisch stammen wie der Anzug – in die Öffentlichkeit zu gehen, also zog sie das einzige Outfit an, das sie sonst noch besaß. In dem zerknitterten, fleckigen Kleid von Miyake und spitzhackigen Manolo Blahniks gefiel sie sich definitiv besser als in Sportkluft vom Wühltisch, es sei denn, sie hätte zufällig vorgehabt, joggen zu gehen.
Als sie auf den Hof hinausstöckelte, war Fabio dabei, leere Gemüsekisten in sein Auto zu laden, ein dunkelblauer Multivan, der schon bessere Tage gesehen hatte. Die Wagentüren standen offen, vermutlich wegen der Wärme. Es war zwei Uhr und bullig heiß, mindestens dreißig Grad.
»Bist du sicher, dass du in diesen Schuhen laufen kannst?«, fragte er.
»Kilometerweit, wenn es sein muss. Es ist keine Frage der Statik, sondern der inneren Einstellung.« Noch während sie das sagte, knickte sie auf dem buckligen Pflaster um und tat so, als wäre das völlig normal. Lässig schwang sie sich auf den Beifahrersitz und wartete, bis er ebenfalls einstieg.
Er schlug die Heckklappe zu und setzte sich ans Steuer, und sofort merkte sie, wie sie dieselbe Befangenheit überkam wie am vergangenen Abend und am Morgen. Komisch, im Krankenhaus hatte sie davon nichts gespürt. Allerdings hatte sie da auch die Sache mit den Karnickeln noch nicht gewusst.
»Ich denke, ich könnte als Erstes ein paar schöne neue Schuhe vertragen«, sagte sie.
»Wie du meinst. Wenn wir in der Stadt sind, können wir uns trennen.«
Isabel fuhr zusammen und starrte ihn perplex an. »Das hättest du mir auch sagen können, bevor ich den ganzen Dreck weggeputzt habe! Ich habe mir acht wirklich gute Fingernägel dafür ruiniert, und die beiden übrigen musste ich auch noch abschneiden, weil es einfach ekelhaft aussah!« Sie runzelte die Stirn. »Und wo, bitte schön, soll ich hin, so mir nichts, dir nichts?«
»Ich hatte eher eine taktische Trennung im Auge. Du gehst einkaufen, ich gehe einkaufen. Aber in verschiedenen Läden.«
»Ach so.« Sie verabscheute sich für den erleichterten Ton in ihrer Stimme und fügte deshalb kühl hinzu: »Männer haben in Schuhgeschäften sowieso nichts verloren.«
Er grinste, und sie sah, dass er in der rechten Wange ein tiefes Grübchen hatte. Ob links auch eines war, blieb vorläufig offen, denn er wandte ihr das Profil zu, während er den Wagen startete und ihn aus der Einfahrt lenkte.
Er trug Jeans, die eine Handbreit über dem Knie abgeschnitten waren, und dazu ein Polohemd in einem ähnlichen Blauton wie das vom Morgen, nur dass es frisch war. Außerdem hatte er geduscht, sein Haar war über den Ohren noch feucht. Rasiert hatte er sich ebenfalls, aber lange würde der Effekt nicht vorhalten, denn er hatte einen extrem starken Bartwuchs. Sogar im Sitzen wirkte er noch groß und massiv, mit ausgeprägten Armmuskeln, dunkel behaarten Beinen und Zähnen, die so weiß waren, dass man zweimal hinsehen musste, um es zu glauben. Der typische Latin Lover, wie er im Buche stand.
Eigentlich passte er überhaupt nicht zu ihr, weder optisch noch von der Herkunft her. Er war ein Koch, der sich aus kleinen Verhältnissen hochgeschuftet hatte, und sie war … Ja, was eigentlich? In jedem Fall reich, oder? Immerhin trug sie einen Mehrkaräter und hochwertige Designerkleidung. Ihre Handtasche, die Fabio ihr heute Morgen überreicht hatte, stammte von Prada, und sie war genauso wenig nachgemacht wie ihre Pumps. Nur nützte ihr das alles momentan nicht viel, jedenfalls nicht, solange sie nicht rauskriegte, woher der ganze Segen stammte, den sie am Körper trug.
Bis dahin …
»Wie wollen wir es nachher machen?«, fragte sie betont locker. »Ich meine, finanziell? Gibst du mir deine Kreditkarte mit?«
»Die brauche ich selbst, ich muss ja auch einkaufen. Ich gebe dir Bargeld.«
»Soll mir recht sein.«
Als sie sich der Innenstadt näherten, schaute sie sich ratlos um. Der Name des Ortes war ihr durchaus vertraut, und sie wusste sogar, dass es ein Schloss, einen Dom und einen kurfürstlichen Park geben musste, doch falls sie je hier gewesen war, dann hatte sie schlicht alle Einzelheiten vergessen. Ob es ihr in Paris genauso ergehen würde? Sie erinnerte sich an bunt bewegte Bilder vom Montmartre, vom Eiffelturm und vom Louvre. Sie sah die Seine in der Sonne schimmern und wusste mit einem Mal, dass sie sich dort zurechtfinden würde. Paris war
Weitere Kostenlose Bücher