Der Montagsmann: Roman (German Edition)
überhaupt.
Doch er hatte sich bereits umgedreht und schlenderte davon. »Bis später«, rief er über die Schulter zurück.
Sie blickte ihm mit offenem Mund nach und starrte dann den Geldschein an, doch es waren und blieben zweihundert Euro.
Nachlässig stopfte sie das Geld in ihr Täschchen und blickte sich um. Sie stand in einer netten, provinziell anmutenden Einkaufspassage mit Läden, von denen sie sofort instinktiv wusste, dass sie sich hier in ihrem früheren Leben niemals eingekleidet hätte. Jedenfalls nicht vor ihrer Verlobung mit diesem armen italienischen Koch.
Isabel legte den Kopf schräg und sortierte alle Informationen, die sie bisher über sich selbst hatte sammeln können. Die Verlobung war ganz offensichtlich der entscheidende Faktor gewesen, wie ihr mit einem Mal klar wurde. Ein Ereignis, das anscheinend ihr komplettes Leben geändert hatte!
Früher hatte sie sich elegant gekleidet, hochkarätige Ringe getragen, sich perfekt geschminkt, Reisen in diverse Weltstädte unternommen. Dann hatte sie diesen Italiener kennen gelernt, eine karnickelähnliche Beziehung mit ihm angefangen und die Freude am Putzen entdeckt. Wenn das keine Wandlung war, wollte sie Daphne heißen!
Sie stutzte kurz, weil sie schon wieder auf diesen Namen gekommen war, doch dann wandte sie sich sofort wichtigeren Gedankengängen zu. Sie rekapitulierte nochmals ihre Schlussfolgerungen und zählte dabei sämtliche Fakten stumm an den Fingern ab.
Erstens: dubiose reiche Schnepfe gewesen, vielleicht sogar weltweit operierende Betrügerin oder Nutte.
Zweitens: armen Koch kennen gelernt und mit ihm neues, ehrliches, sauberes Leben begonnen. Naturbelassen, ohne Schnickschnack, dafür mit Karnickelsex.
Drittens: Krach mit armem Koch, Trennung. Versuch, altes, dubioses Leben wieder aufzunehmen. Keinen Spaß mehr daran gehabt, also Versuch einer Versöhnung.
Viertens: hingefallen, Gedächtnis verloren.
Fünftens: nichts mehr zum Anziehen.
Isabel umfasste entschlossen ihr Handtäschchen. Sie brauchte nicht erst großartig darüber nachzudenken, was sie wollte – mal abgesehen von neuen Schuhen. Sie musste einfach der Person vertrauen, die sie vorher gewesen war. Und die hatte ein anderes, bodenständiges Leben führen wollen! Mit einem hart arbeitenden Koch und Existenzgründer. Fernab von jedem fragwürdigen Luxus, nur der Kraft vertrauend, die eigener Hände Arbeit entstammt. Schluss mit Pretty Woman!
Isabel atmete heroisch durch und stöckelte auf das gegenüberliegende Geschäft zu.
F abio blieb an der Ecke stehen und schaute zurück. Isabel stand in sich versunken da und schaute auf ihre Finger, sie schien etwas abzuzählen. Ob sie überlegte, was sie alles kaufen sollte, beziehungsweise, ob das Geld dafür reichte? Gemessen an ihren Ansprüchen kam sie vermutlich rasch zu dem Ergebnis, dass es kaum für eine Maniküre oder einen Besuch beim Friseur langte. Geschweige denn für solche Schuhe, wie sie welche trug.
Widerwillig registrierte er, dass so ungefähr jeder Mann in Sichtweite sich den Hals verdrehte, um sie angaffen zu können. Tatsächlich war sie trotz des leicht mitgenommenen Fähnchens ein Anblick der Extraklasse. Sie war nicht besonders groß, aber jeder ihrer schätzungsweise einhundertsechzig Zentimeter war tadellos proportioniert, alles verteilt auf eine niedliche Stundenglasfigur. Ihre blonden Locken waren auf dekorative Weise zerzaust, und dass sie heute nicht geschminkt war, verlieh ihrem Gesicht einen elfenhaften Reiz. In Verbindung mit den verruchten Schuhen und dem eng anliegenden Seidenkleid erhöhte es noch den Hauch erotischer Verlockung, der von ihr ausging. Er hatte bereits vorhin im Auto nicht an sich halten können, ihr ständig in den Ausschnitt oder auf die Beine zu glotzen. Schon heute Morgen beim Frühstück hatte sie derartig zum Anbeißen ausgesehen, dass er Mühe gehabt hatte, sich ihre Zickigkeit in Erinnerung zu rufen.
Sie setzte sich in Bewegung und hielt auf ein edel aussehendes Schuhgeschäft zu. Doch zu seiner Überraschung ging sie nicht hinein, sondern betrat das gleich daneben befindliche Bekleidungshaus.
»Das glaub ich nicht«, murmelte er. Sie ging tatsächlich zu H&K! Es geschahen noch Zeichen und Wunder.
Er ging weiter, um seine Besorgungen abzuarbeiten. Ein Termin bei der Bank, der wie erwartet wenig erfreulich verlief, ein weiterer bei der Versicherung. Es waren immer noch Zahlungen offen, die er wegen des Brandes beantragt hatte. Wahrscheinlich würde er noch die
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