Der Montagsmann: Roman (German Edition)
anderes studiert.«
»Innenarchitektur.«
Sie erinnerte sich, dass sie es ihm in der Cafeteria erzählt hatte. »Richtig«, sagte sie.
»Also sind Sie heute Innenarchitektin?«
»Eigentlich bin ich nichts«, bekannte Isabel, während sie vergeblich versuchte, die Beklommenheit zu unterdrücken, die sich in ihr ausbreiten wollte. »Während des Studiums am Konservatorium habe ich meinen Mann kennen gelernt, und dann geschah der Unfall …«
»Bei dem Sie sich die Hand verletzt hatten?«
»Ja. Und bei dem mein Mann ums Leben kam.«
»Das tut mir Leid!«
Sie hörte die Betroffenheit in seiner Stimme und lächelte wehmütig. »Das war ebenfalls ein Grund, warum ich nicht mehr spielen wollte.«
»Ist das lange her?«
»Fast acht Jahre. Er war mein Professor, ein Niederländer. Daher der Name. Ein wunderbarer Mann. Etwas älter als ich, aber wir harmonierten perfekt, nicht nur in der Musik.« Sie hielt inne. »Das zweite Studium war dann eher eine Verlegenheitslösung. Eine Art Beschäftigungstherapie. Nach einer Weile habe ich gemerkt, dass es nicht wirklich das ist, was ich wollte, und so ließ ich es wieder sein.«
»Und stattdessen haben Sie sich aufs Schwimmen verlegt?«
Sie musste lachen. »Nein, das ist noch länger her. Ich war früher in einem Schwimmverein. Damals lebten meine Eltern noch, und mein Vater war Schwimmtrainer. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass ich bei den Olympischen Spielen mitmache. Ich war sogar im Kader für die Jugendmannschaft.«
»Ein vielseitiges Talent.« Er zögerte, dann fuhr er fort: »Haben Sie noch Familie?«
»Nein.« Isabel spürte den Aufruhr, der durch diese einfache Wahrheit in ihr ausgelöst wurde. Sie hatte tatsächlich niemanden, der ihr wirklich nahe stand. Ihre Eltern waren bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen, als sie vierzehn gewesen war, und Jan, ihr Mann, war schon im ersten Jahr ihrer Ehe in einem Straßengraben gestorben, nachdem er auf eisglatter Fahrbahn die Kontrolle über den Wagen verloren hatte. Sie selbst war mit einer kaputten Hand und einem gebrochenen Herzen davongekommen.
Ja, sie wusste, wie weh es tat, geliebte Menschen zu verlieren und plötzlich allein dazustehen, aber sie hatte es schon mehrmals überwunden. Sie würde es auch diesmal schaffen. Auch wenn es so verdammt wehtat, dass sie hätte schreien können.
Nicht wegen Erik, und auch nicht wegen Daphne. Nein, ganz bestimmt nicht wegen Daphne. Sie kannten einander zwar seit dem Beginn des später abgebrochenen Innenarchitekturstudiums, aber ihre Beziehung war eher oberflächlich geblieben.
Fabio kannte sie erst seit vier Wochen, seit dem missglückten Versuch, eine Lokalität für ihre abgeblasene Hochzeit zu buchen. Doch diese vier Wochen hatten ausgereicht, um …
Nein, hör auf!, schrie sie sich selbst innerlich an.
»… noch etwas fragen?«, meinte Doktor Mozart.
Isabel hätte um ein Haar den Hörer fallen lassen, weil sie ihn vollkommen vergessen hatte.
»Bitte?«, fragte sie verwirrt.
»Sie sagten vorhin, Sie wollten mich noch etwas fragen«, wiederholte er freundlich.
»Ach so, ja. Es geht um die Krankenhausrechung. Könnten Sie bitte veranlassen, dass die Verwaltung Sie mir nochmals schickt? Diesmal an meine richtige Anschrift.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille, und Isabel fürchtete bereits, er werde Fragen wegen ihrer angeblichen Verlobung stellen, doch zu ihrer Erleichterung erkundigte er sich lediglich nach ihrer Adresse.
Sie nannte sie ihm und bedankte sich für seine Mühe, und er versicherte ihr, dass nichts, was er für sie tun könne, ihm Mühe bereite. Zum Abschied versprach sie ihm, gelegentlich zu einer Nachuntersuchung vorbeizukommen, damit er seinen Abschlussbericht verfassen konnte. Fälle von Amnesie, so meinte er, begegneten einem nicht jeden Tag, nicht einmal einem Facharzt für Neurologie. Nachdem sie aufgelegt hatte, stand sie eine Weile verloren im Zimmer, den Hörer des Telefons immer noch zwischen den Händen. Sie beschwor sich, an irgendwelche harmlosen Dinge zu denken. Bloß nicht an Fabio. Auf keinen Fall an Fabio!
Dann schon eher an einen neuen Staubsauger, eines von diesen Geräten, die den Boden vorher nassmachten, bevor sie ihn absaugten. Putzen und Saugen in einem also, das war ungeheuer praktisch. Und hatte sie sich nicht schon immer mal ein neues Bügelbrett zulegen wollen? Zugegeben, sonst hatte ihre Zugehfrau sich immer um diese Arbeiten gekümmert, im Grunde hatte sie noch nie selbst gebügelt. Jedenfalls
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