Der Montagsmann: Roman (German Edition)
begutachtete und durch den offenen Durchgang ins Wohnzimmer schlenderte. »Edel geht die Welt zu Grunde, was?«
»Ich habe nicht die Absicht, zu Grunde zu gehen.« Isabel marschierte in die Küche und goss sich ein großes Glas Mineralwasser ein.
»Danke.« Natascha, die anscheinend hartnäckiger war als jeder Schatten, nahm ihr das Glas aus der Hand und trank es in einem Zug leer. »Schönes Haus hast du hier. Nur viel zu groß, um allein zu leben.«
Damit berührte sie einen wunden Punkt. Tatsächlich hatte Isabel schon mehrmals kurz davor gestanden, das Haus zu verkaufen. Das erste Mal, als sie volljährig geworden war und das Familiengericht ihr die eigene Verfügungsgewalt über das Vermögen ihrer Mutter übertragen hatte, und dann wieder nach dem Unfall, bei dem Jan gestorben war. Doch bisher hatte sie es nicht fertig gebracht, vielleicht, weil ihr die Energie dafür gefehlt hatte.
Vielleicht war es an der Zeit, das jetzt endlich durchzuziehen und woanders ganz von vorn anzufangen, in einer netten Eigentumswohnung, die nur halb so groß war wie das Haus und für die sie weder Gärtner, Putzfrau noch Videoüberwachung brauchte.
»Du hast Recht«, sagte sie.
Natascha wirkte verblüfft. »Womit?«
»Das Haus ist zu groß, ich werde es verkaufen.«
»Hm, na ja … Wenn du meinst. Ich wollte dir da aber nichts einreden. Nur, weil ich dich mal zum Bügeln abkommandiert habe, musst du jetzt noch lange nicht das Haus verkaufen.«
»Keine Sorge, ich bin dir nicht hörig. Ich wollte es sowieso verkaufen.«
Natascha sah sich in der Küche um und betrachtete die integrierte Esstheke, hinter der ein großer Durchgang zum Wohnbereich führte. »Das ist Philippe Starck, oder? Und das Sofa da drüben … Rolf Benz?«
»Beinahe. Koinor.«
»Auch sehr nobel«, meinte Natascha. »Nicht wirklich vergleichbar mit der Ikea-Hochzeitssuite im Schwarzen Lamm , wie?«
»Nicht annähernd«, sagte Isabel. Gleichzeitig fragte sie sich, ob das, was sie da gerade fühlte, vielleicht ein schlechtes Gewissen war. Wieso, zum Teufel, sollte sie ein schlechtes Gewissen haben? Sie hatte zufällig eine Menge Geld von ihrer Mutter geerbt und später noch sehr viel mehr von Jan. War das etwa ihre Schuld? Sie hätte sonst was drum gegeben, wenn beide stattdessen heute noch leben würden!
»Jetzt hör mal zu«, fuhr sie hitzig fort. »Meine Mutter hat mir zufällig ihr Vermögen hinterlassen, meine Großeltern hatten eine große Kartonagefabrik. Und später habe ich noch mehr von meinem Mann geerbt, der ebenfalls reiche Eltern hatte. Aber das ist noch lange kein Grund, mich …«
»Du warst verheiratet?«
»Ja, stell dir vor! Und zwar glücklich !« Isabel warf frustriert und wütend die Arme hoch. »Was willst du überhaupt noch hier? Meine Sachen hast du mir gebracht, jetzt kannst du wieder gehen! Oder was liegt sonst noch an?«
»Na, du stellst Fragen! Zufällig ist heute Abend Eröffnung, und da können wir jede Hand brauchen! Wir zählen fest auf dich!«
Isabel starrte sie an. »Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Aber was denn!« Natascha wirkte beleidigt. »Bist du wirklich so nachtragend? Nur wegen dieser kleinen Bügelgeschichte …«
»Bügeln?«, schrie Isabel. Sie war so außer sich, dass sich ihre Stimme überschlug.
»Oder lag es am Putzen?«, meinte Natascha nachdenklich. »Ich hatte allerdings den Eindruck, dass du es nicht so schrecklich ungern machst.« Sie deutete auf den Putzeimer und den Schrubber, die beide noch am Fuße der Treppe standen. »Hier hast du auch geputzt, oder? Riecht noch richtig frisch.«
Isabel drehte sich wortlos um und ging zur Haustür, um sie aufzureißen. »Auf Wiedersehen. Oder nein, besser nicht. Sagen wir lieber Ciao .«
»Meine Güte, du kannst doch nicht bis ans Ende deiner Tage sauer auf mich sein!«, rief Natascha. »Du hast viel dabei gelernt, und du hattest Spaß daran, wir hatten alle miteinander eine wirklich lustige Zeit und schöne, gemütliche Essensabende. Warum willst du das jetzt abstreiten!«
»Ich streite es gar nicht ab«, hörte Isabel sich zu ihrer eigenen Überraschung sagen.
»Na siehst du! Und wir haben die ganze Zeit nicht gewusst, wo du wohnst, sonst hätten wir es dir garantiert gesagt! Also, womit hast du ein Problem?«
»Bestimmt nicht mit Bügeln oder Putzen«, fauchte Isabel.
»Ja, was war es denn dann? Etwa die Küchenarbeit?«
Isabel spürte, wie sie errötete, doch sie weigerte sich, weitere Kommentare abzugeben.
Nataschas Miene hellte sich auf.
Weitere Kostenlose Bücher