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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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derjenige, dem die Worte des Herzens zu sagen ist mein Begehr ?«
    Er äffte mich nach. Aus dem anderen Zimmer ertönte das schadenfrohe Gelächter seiner Mutter. Ich sagte, »Rahim, Rahim, weißt du überhaupt, was du da sagst? Hör auf damit!«
    Wieder schrie er, »Mittlerweile kommandierst du mich ständig herum. ›Rahim Djan, streich dir das auf die Hände, damit sie weich und geschmeidig werden. Rahim Djan, knöpf dir das Hemd zu, man kann deine Brust sehen. Das gehört sich nicht. Rahim Djan, kämm dir die Haare, damit sie unter dem Hut bleiben. Laß dir die Haare kurz schneiden. Benutz die Schüssel zum Essen. Zieh die Hacken deiner Schuhe hoch. Schließ die Knöpfe deines Jacketts. Tu dies, tu das!‹ Fehlte nur noch, daß du mich schminkst. Zig Mal täglich fragst du mit Anspielungen und Andeutungen, ›Rahim, gehst du nicht zum Militär? Wann gehst du endlich hin? Was ist daraus geworden?‹ War ich denn an dem Tag, als ich dir begegnete, Offizier? Wann habe ich dir gesagt, ich wollte zum Militär?«
    Wütend fragte ich, »Hast du es nicht gesagt? Hast du es nicht an der Gartenmauer gesagt?«
    »Nun gut, du hattest mich an der Gartenmauer in der Mangel, ob ich zum Militär gehen wollte. Ich hab, um dir einen Gefallen zu tun, etwas Dummes dahingesagt und bin dir nun etwas schuldig…«
    Wutentbrannt schrie ich, »Hast du nicht an dem Tag, an dem die Chanum mir das Armband und die Ohrringe von der Hochzeit entrissen hat, gesagt, ich gehe zum Militär? Hast du nicht gesagt, ich kauf dir schönere dafür?«
    Meine Schwiegermutter schrie aus dem anderen Zimmer, »Pah! Sag bloß, die Chanum ist auf Gold und Juwelen aus. Weshalb zieht ihr mich da hinein? Hast du keine Bessere als mich gefunden? Bist du auf dieses eine Paar Ohrringe versessen…«
    Rahim schnitt ihr das Wort ab, »Machst du mir jetzt Vorwürfe? Muß ich die Wände hochklettern, um dir Schmuck zu kaufen? Werden etwa beim Militär Goldarmbänder und -ohrringe als Almosen verteilt? Du hast mich erledigt. Ich bin fertig. Ich werde mir meine Hände nicht einreiben. Dein Cousin muß sich die Hände einreiben. Ich eß doch kein unverdientes Brot, daß ich mir die Hände einreiben könnte! Und wenn ich sie einreibe, sind sie am nächsten Tagwieder genau wie vorher. Sieh mal, Mahbube, laß es dir ein für alle mal gesagt sein: Ich geh nicht zum Militär. Es ist doch nicht gratis. Man muß studieren, sich die Augen beim Rauch der Ölfunzel verderben. Es kostet…«
    Ich sagte, »Die Kosten übernimmt mein Agha Djan.«
    »Reib mir nicht das Geld deines Vaters unter die Nase. Ich bin das, was ich bin. Besser als das werde ich nicht. Ich hab doch eine Frau geheiratet, nicht einen Mann! Es ist, wie es ist, ob es dir nun gefällt oder nicht.«
    Wieder war seine Halsader angeschwollen wie die eines Messerstechers und wirkte unschön unter der dunklen Haut. Sein Haar war ihm wild und furchterregend ins Gesicht gefallen. Die weißen Zähne hatte er grausam zusammengebissen. Die Hände grob wie ein Urmensch. In ihm war kein Fünkchen Selbstbeherrschung. Er hatte mir all das, was mir lieb und teuer war, unter die Nase gerieben und es verspottet. Ich sagte, »Es reicht, geh! Brüll nicht herum. Hör auf, damit du nicht noch mehr in meiner Achtung sinkst.«
    Seine Mutter mischte sich ein, »Rahim Djan, reg dich doch nicht so auf, mein Sohn. Sonst schlägt das Essen nicht an. Mahbube hat nun mal was daher geredet, verzeih ihr. Sie hat es selbst schon bereut.«
    Ich stellte mich an die Zimmertür und sagte, »Denken Sie, ich hätte nicht gehört, wie Sie ihm etwas einflüsterten? Sind Sie, jetzt, wo es so weit gekommen ist, zufrieden? Sie stecken doch hinter dem ganzen Ärger.«
    Plötzlich schlug sie sich heftig gegen den Kopf und sagte mit lauter Stimme, »Asche auf mein Haupt, daß ich mich hier als Dienerin nützlich mache, mir lauter dummes Geschwätz anhören muß und keinen Ton dazu sage. Ich soll dahinter stecken? Nein, meine Liebe, ich hab damit nichts zu tun. Rahim ist in deiner Achtung gesunken. Deine Verliebtheit ist vorbei. Vorbei das Frohlocken. Du hast genug. Laß mich bloß nicht deutlicher werden!«
    Rahim sagte gebieterisch, »Halt den Rand, Nanneh!«
    »Ja, ich halte die Klappe. Das ist also mein Lohn. Verflucht sei mein Vater, wenn ich noch länger hier bleibe.«
    Ich zog das weinende Kind in meine Arme. Ich zitterte wie Espenlaub. Meine Schwiegermutter stürzte hinaus, schnürte ihr Kleiderbündel und warf sich den Tchador über. Der Saum fegte über

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