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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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jedoch vor meinem Körper. So oft ich mich auch im Hammam wusch, so oft ich die alten Kleider wegwarf und neue kaufte, es reichte nicht. Er sagte, »Mahbub!«
    »Fahr zur Hölle.«
    Ich hatte es von ihm gelernt. Einst hatte er mich in seinem Haus in seinen Klauen gefangengehalten. Wie eine Taube mit gebrochener Schwinge war ich ihm und seiner Mutter ausgeliefert gewesen. Ich hatte mir ihre Flüche und Beschimpfungen anhören müssen und nicht widersprechen können, da ich mutterseelenallein und schutzlos war. Nun hatten sich unsere Rollen vertauscht.
    Mutlos und verzweifelt sah er zunächst meinen Vater und dann mich an und fiel in den Sessel, »Dein Agha Djan will, daß du geschieden wirst.«
    »Nicht mein Agha Djan will es, ich will es.«
    »Weshalb?«
    »Was für ein unverschämter Kerl! Weißt du immer noch nicht, weshalb?«
    »Hast du mich nicht begehrt?«
    »Das war früher. Jetzt begehre ich dich nicht mehr. Ich war noch ein Kind und einfältig. Hätte ich Verstand besessen, hätte ich mich nicht für einen so widerlichen Taugenichts wie dich entschieden.«
    Plötzlich sagte er scharf, »Dann werde ich dich nicht freigeben. Darauf kannst du warten, bis dein Haar ebenso weiß wird wie deine Zähne.«
    Mir schlotterten die Knie. Ich setzte mich neben meinen Vater auf einen Sessel und starrte ihn an. Davor hatte ich mich gefürchtet. Ich wußte, daß er so etwas sagen würde. Daß er es als Faustpfand verwenden würde. Ich kannte ihn nur zu gut. Er erhob sich und lachte dreist und schelmisch wie gewohnt. Mein Vater sagte, »Mach den Mund zu und setz dich.«
    Rahim wurde laut. Jetzt, wo er die Trumpfkarte in der Hand hielt, war er wieder aufsässig geworden und markierte den wilden Mann. Durch sein unverschämtes Geschrei wollte er meinen Vater vor den Dienstboten herabwürdigen und ihn einschüchtern. Er schrie, »Es gibt nichts mehr zu besprechen, weswegen ich sitzenbleiben müßte. Sie wollen mich zwingen. Ich sag’s Ihnen, ich gebe meine Frau nicht frei. Ich liebe sie und laß mich nicht von ihr scheiden. O ihr Gläubigen, helft mir. Habt ihr keinen Anstand mehr? Dieser Mann will mich gewaltsam von meiner Frau trennen. Den Nagel vom Finger trennen.«
    Der Vulkan brach aus, und die See schäumte. Die Wut meines Vaters brach heraus, und er brüllte, »Senk deine Stimme, du Bastard. Willst du mich etwa mit deinem Gebrüll erschrecken, du schamloser Nichtsnutz? Bist du mit meiner Tochter genauso umgesprungen? Kannst du nicht zwei Worte vernünftig reden? Was hast du? Willst du dich auch hier aufspielen? Denkst du, sie würde sich aus Angst um ihren Ruf einem Niemand wie dir wieder fügen? Ich spucke auf das Grab deines nichtsnutzigen Vaters. Je anständiger und höflicher man dich behandelt, desto unverschämter wirst du? Denkst du, ich könnte nicht laut werden? Denkst du, es gibt keinen unflätigeren Menschen als dich? Denk nicht, daß ich um meinenRuf fürchte! Hätte ich es getan, hätte ich meine Tochter nicht solch einem Bastard wie dir gegeben. Ich wäre ehrloser als du, wenn ich meine Tochter nicht von dir scheiden lassen würde…«
    Ich saß wie eine Statue da. Die Diener standen verstört bereit, um zur Verteidigung ihres Herrn einzugreifen. Im Hof gruben sich meine Amme und Dadde Chanum die Nägel ins Gesicht. Meine Mutter, eingehüllt in den schwarzen Tchador, steckte ihren Kopf durch die Tür und sagte protestierend, »Agha! Agha!«
    Zum ersten Mal in ihrem Leben fuhr mein Vater sie an, »Gehen Sie hinaus und schließen Sie die Tür, Chanum.« Meine Mutter ging und schloß die Tür hinter sich.
    Mein Vater sagte leise, aber drohend, »Sperr deine Ohren auf und hör gut zu, was ich dir sage. Du tätest gut daran, die Scheidungsurkunde zu unterschreiben. Es wäre dein Vorteil. Tust du es, um so besser. Tust du es nicht, werde ich erstens…«
    Mit seinen Fingern zählte er es einzeln auf.
    »Erstens, falls du meiner Tochter nicht jeden Monat in meiner Gegenwart das Geld für den Lebensunterhalt zahlst, wird sie dein Haus nicht mehr betreten. Außerdem muß es der Frau angemessen sein. So haben es Gott und die Propheten gewollt, und so will es auch das Gesetz. Meine Tochter muß eine Dienerin haben. Teppiche, Bettzeug und anderen Hausrat. Du mußt ihr mindestens zweimal jährlich Geld für Kleider, Schuhe und einen Tchador geben. Die Ausgaben für das Hammam, Medizin und den Haushalt bezahlen. Soviel dazu. Zweitens teile ich dir mit, daß meine Tochter das Haus und den Laden auf meinen Namen

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