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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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und zugenagelt hatte. Ich roch den Braten sofort und begriff, wer dahintersteckte. Ich ging zum Meister und fragte ihn, ›Weshalb haben Sie das Geschäft geschlossen?‹ Er sagte, ›Bassir ol-Mulk hat jemanden geschickt und ausrichten lassen, ich solle ihm den Preis des Ladens nennen. Ich sagte, Ich verkaufe nicht. Er sagte, Bassir ol-Mulk hat dich nur nach dem Preis des Ladens gefragt. Beantworte seine Frage. Und ich nannte einen Preis, der über dem Tagespreis lag. Sein Gesandter ging und kehrte zurück und sagte, Bassir ol-Mulk hätte gesagt, Ich würde ihn zum doppelten Preis kaufen, vorausgesetzt, daß es nicht später als morgen geschieht. Und ich habe angenommen. Das war’s.‹«
    Ungläubig schlug ich den Gesichtsschleier zurück und fragte, »Also hat mein Vater dich arbeitslos gemacht? Dich ums tägliche Brot gebracht? Hat er sein Gift verspritzt?«
    Beim Anblick meines Gesichts errötete er und sagte, »Dafür hat mich dieses Gegengift geheilt.«
    Ich wiederholte, »Hat er dich ums tägliche Brot gebracht?«
    »Vermutlich wußte er, daß ich fern von dir keinen Bissen die Kehle hinunterbringe!…«, und er lachte. Seine Zähne wurden sichtbar. Weiß und ebenmäßig, wie ein Gemälde. Er nahm seine Mütze ab und befreite das Haar, das ihm frei und gelöst in die Stirn fiel. Dicht und schwungvoll. Er glich einem Derwisch, der zu tanzen beginnt. Die Mütze drehte und knetete er in den Händen. Er wollte etwas sagen, traute sich jedoch nicht. Er hob den Kopf und betrachtete die Baumwipfel. Sein Gesicht wurde ernst. Er lächelte bitter, »Ich wußte von Anfang an, daß sie dich mir nicht geben würden.«
    »Komm zur Brautwerbung. Komm und sag meinem Vater, daß du zum Militär gehen willst. Daß du Offizier werden willst. Willst du denn nicht? Oder?«
    »Doch, ich will. Aber es nützt nichts. Er läßt mich gar nicht ausreden.«
    »Doch, doch. Wenn er dich sehen würde….«
    Er schnitt mir das Wort ab, »Dein Vater hat mich schon gesehen.«
    »Wie? Wann? Wo?«
    Erneut nestelte er an seiner Mütze herum und sah zu Boden, »Als dein Vater den Laden gekauft hatte und ihn zunageln ließ, bin ich noch ein, zwei Tage gekommen, habe dort gestanden und Wache gehalten. Ich hielt Wache, bis du kämest, doch du bist nicht gekommen. Ich wußte nicht, was ich tun sollte! Wie ich dich sehen könnte. Ich fürchtete, man hätte dich verheiratet. Mit dem betreffenden Cousin… Wie hieß er noch mal?«
    »Mansur.«
    Er blickte mir ins Gesicht und setzte ein vielsagendes Lächeln auf, »Ach ja, dieser Herr Mansur. Er ist wohl ziemlich gut betucht, oder?«
    Auch seine Augen lächelten bedeutungsvoll und tadelten mich. Auch er zielte auf mein Herz und meine Seele. Was war geschehen,daß alle auf Streit erpicht waren? Wollten sie mir das Herz brechen? Ich war doch bereits am Ende, mein Herz war schon in tausend Stücke zersprungen. Mit einem traurigen Lächeln beantwortete ich seinen Blick.
    Erneut senkte er den Kopf und sagte, »So sehr ich wartete, du kamst nicht. Bis ich eines Tages die Kutsche deines Vaters sah, die am Geschäft vorbeifuhr. Ihr Verdeck war zurückgeschlagen, und dein Herr Papa hatte es sich darin bequem gemacht. Als er das Geschäft erreichte, sah er unter gesenkten Lidern, wie ich in ehrerbietiger Haltung dastand. Er ließ sich nichts anmerken. Ich verlor die Selbstbeherrschung. Ich fragte mich, wo er seine Tochter versteckt hielt. Was er ihr angetan hatte. Ich sprang vor und packte das Zaumzeug der Pferde, die vor dem Abbiegen langsamer geworden waren, und sagte, »Agha, ich hätte Ihnen etwas mitzuteilen.«
    Unwillkürlich grub ich mir die Nägel ins Gesicht, »O Gott, laß mich sterben.«
    Erneut erschien das Grinsen um seine Mundwinkel, »Weshalb? Gott behüte, daß ein Engel von Ihrer Schönheit sterbe. In Ihrem Gefolge würden die jungen Männer in Massen zugrunde gehen…« Er verstummte, und sein bohrender Blick drang in mich.
    Um mich davon zu befreien, fragte ich mit rauher Stimme, »Und? Was dann?«
    »Der Herr sah mich so zornig an, daß mir die Knie weich wurden. Hätte er ein Gewehr gehabt, er hätte angelegt. Er beugte sich vor und sagte leise und tief, aber voll Wut, ›Sprich!‹ Ich streckte den Kopf vor, da ich nicht wollte, daß es jemand hörte. Daß der Kutscher oder die Bewohner des Viertels etwas verstanden. Gedämpft flüsterte ich, ›Weshalb quälen Sie sie? Lassen Sie sie in Frieden. Ich bin es, dessen Frau sie werden will. Mich müssen Sie ansprechen.‹ Dein Vater verfärbte

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