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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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die Hand brechen.‹ Du hast ihren ganzen Körper grün und blau verfärbt.«
    Erstaunt schwieg meine Mutter, und ich hörte von draußen keinen Laut außer das Murren der Frau Amme. Vielleicht nahm meine Mutter Rücksicht auf ihr Alter. Vielleicht hatte sie sich die Achtung vor ihrer Anteilnahme und Treue bewahrt. Oder vielleicht bedauerte auch sie meinen Zustand.
    Wieder schrieb ich einen Brief, den Bericht meiner Mißhandlung. Als mein Vater zu einer Einladung zum Mittagessen ausgegangen und meine Mutter im Zimmer neben Manuchehr in einen sommerlichen Nachmittagsschlaf gesunken war, spazierte ich gemächlich ans Ende des Hofs. Hadj Ali wusch das Mittagsgeschirr am Wasserhahn. Es war zwei Stunden nach Mittag. Ich wollte den Stein werfen, als ich das Geräusch von Schritten hörte und zögerte. Wer konnte dort sein? Auf diesem schmalen und verlassenen Pfad? Ich warte, bis er geht, dann. Das Geräusch der Schritte verstummte. Als sei die Person stehengeblieben. Plötzlich kam mir in den Sinn, daß es Rahim sein könnte. Wie konnte ich es feststellen? Ich stellte mich mit dem Rücken zur Mauer und sagte mit verhältnismäßig lauter Stimme, »Hadj Ali, wo bist du? Weshalb ist heute niemand im Garten hinten?«
    Sofort hörte ich ein Hüsteln und dann Rahims Stimme, »Wieviel Gestrüpp es in dieser Gasse gibt!«
    Behutsam fragte ich, »Rahim?«
    »Mahbub, bist du es? Bist du allein?«
    »Ja«, und ich warf den Stein. Es dauerte einen Augenblick. Es schien, als läse er den Brief.
    »Schlagen sie dich?«
    »Macht nichts.«
    »Macht nichts? Macht sehr viel. Sie schikanieren dich zu Tode.«
    Ich sagte, »Sie glauben nicht, daß du zum Militär gehen willst. Willst du denn nicht?«
    Er zögerte, »Zum Militär? Doch, ich will…. Sie werden es schon merken, wenn ich gegangen bin.«
    »Wann gehst du?«
    Wieder zögerte er, »Tja, ich habe mich schon darum gekümmert… Es dauert ein paar Monate… Aber es wird nicht später werden als nächstes Jahr. Kommst du, damit wir fliehen?«
    »Oh, nein, Gott laß mich sterben. Willst du, daß ich vollkommen schutzlos, vogelfrei bin? Wart ab und laß mich sehen, wie es kommt.«
    »Wie lange soll ich noch warten? Ich bin verzweifelt.«
    Ich sagte, »Wenn sie nicht einwilligen, werden wir uns etwas einfallen lassen.«
    Er sagte, »Laß dir möglichst schnell etwas einfallen. Ich kann nicht mehr.«
    Hadj Alis hinkende Gestalt tauchte auf, und ich sagte leise, »Auf Wiedersehen. Hadj Ali ist gekommen.«
    Rund zwanzig Tage waren seit unserer Fahrt zum Garten vergangen. Es war gegen Ende des Sommers. Trotzdem schliefen wir noch alle auf dem Dach. Sommers, wenn man das Bett meines Vaters im Hof des Andaruni aufschlug, war unser Platz auf dem Dach, und wenn es ihn gelüstete, auf dem Dach zu schlafen, mußten wir im Hof schlafen. In diesem Fall waren wir gezwungen, früh aufzustehen, damit Hadj Ali, der zur Erledigung der täglichen Arbeit den Hof des Andaruni betrat, uns nicht im Bett sah. In diesem Jahr hatte man wegen Manuchehrs Geburt und weil mein Vater nicht wollte, daß er unter der Hitze litt, unsere Schlafstellen auf dem Dach eingerichtet. Meine Mutter stieg stets eine Weile nach uns hinauf. Die Amme, Manuchehr und Chodjasteh schliefen. Doch ich konnte nicht einschlafen. Wie sehr wünschte ich mir, daß Rahim in Uniform durch die Tür treten und sich neben Mansur setzen würde. Erhobenen Haupts und in straffer militärischer Haltung. Dann würde ich mit tadelnden Blicken die steife und geschniegelte Gestalt meines lieben Cousins von Kopf bis Fuß mustern und grinsen.
    Das Geräusch des Türklopfers ertönte. Die verworrenen und hastigen Laute der Worte meiner Eltern waren zu hören, die sich über das Klopfen zu dieser Nachtzeit wunderten. Dann wurde die Tür entriegelt, und anschließend ertönte das Geräusch männlicher Schritte, das Geplauder meines Vaters und schließlich meine Mutter, die höflich sagte, »Daß man Sie auch mal wieder sieht! Zu dieser Nachtzeit haben Sie sich an uns erinnert?«
    Also war der Gast ein Vertrauter. Er gehörte zur Familie. Doch wer war es?
    Die Stimme meines Onkels ließ mich auf der Stelle erstarren. Schlechtgelaunt sagte er, »Ich störe Ihre Ruhe. Ich bin vorstellig geworden, um ein paar Worte mit Ihnen und Brüderchen zu wechseln…«, und die Stimmen entfernten sich. Anscheinend stiegen siedie Stufen zum Houzchaneh hinab. Ich hörte nichts mehr. Mein Instinkt sagte mir, daß dieses unzeitige Erscheinen mit mir zu tun haben mußte.
    Behutsam

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