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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Vater erneut nach mir rief. Nicht, daß er mich etwa beim Namen genannt hätte. Er sagte lediglich, »Warte, Tochter.«
    »Jawohl, Agha Djan.«
    »Solange du die Frau dieses jungen Mannes bist, wirst du weder meinen Namen erwähnen, noch dieses Haus betreten.«
    Ich sagte nur, »Auf Wiedersehen.«
    »Geh in Frieden.«
    Chodjasteh und Nozhat küßten mich. Im Gegensatz zu der damals üblichen Sitte, wonach die Mädchen beim Verlassen des Elternhauses weinten, weinte keine von uns. Weinen ziemte sich für Hochzeiten, bei denen nicht allen das Herz blutete.
    Wir bestiegen die Kutsche meines Vaters. Das Verdeck hatte man hochgeschlagen, entweder wegen der Beschämtheit meines Vaters oder wegen des kühlen Wetters zu Herbstbeginn. Die Amme stellte etwas Gebäck, Zucker und einen großen Topf mit Essen in die Kutsche und stieg ebenfalls ein. Als Rahims Mutter einsteigen wollte,bückte sich Rahim und sagte, »Nein, Mama, es ist kein Platz. Geh nach Hause.«
    Seine Mutter sagte, »Heute nacht ist doch deine Hochzeitsnacht.«
    Erneut erschien jenes spöttische Lächeln auf seinen Lippen.
    »Gerade deswegen sagte ich, du solltest nach Hause gehen.«
    Wieder bohrte sich mir ein Dorn ins Herz. Das gefiel mir nicht.
    Wir saßen wie zwei Statuen der Amme gegenüber, sittsam mit den Händen auf den Knien. Auf Anweisung der Amme fuhr die Kutsche durch eine Reihe von Straßen und Gassen und hielt in einem verhältnismäßig belebten Viertel vor der Tür eines kleinen Hauses.
    Die Amme zog einen Schlüssel aus der Tasche und schloß eine kleine grüne Holztür auf. Wir betraten einen dunklen Korridor. Rechterhand lag die Toilette. Der Korridor führte am Ende über eine Stufe auf den Hof. Linkerhand befand sich ein Zimmer, das mit der anschließenden Vorratskammer durch eine Tür verbunden war. In einem Winkel der Vorratskammer hatte man ein wenig Brennholz aufgeschichtet. Rechts am Hof befand sich die Öffnung eines dunklen Durchgangs mit gewölbtem Ziegeldach. Dieser Durchgang führte über ein paar Stufen hinab zu einer kleinen, verräucherten Küche. Mitten im Hof befand sich ein kleines Becken mit grünlichem, schlammigem Wasser. Der Eingangstür gegenüber führte eine Treppe aus einer Ecke des Hofs hinauf zu einem kleinen Eiwan mit zwei Räumen. Ein größerer, der Hauptraum, der sozusagen das Wohnzimmer bildete und durch eine Tür mit dem Eiwan verbunden war, führte zu einem kleineren Raum, der uns künftig als Schlafzimmer und Abstellkammer diente. Dieser Raum besaß ein Fenster zum Eiwan. Um ihn zu erreichen, mußte man allerdings durch den Hauptraum gehen, den ich Salon nannte. Was für ein Salon! Viereinhalb mal fünf Meter.
    Die Fußböden hatte die Amme mit meinen groben Wollteppichen ausgelegt und die Sitzkissen an die Wand des größeren Zimmers gelehnt. Dort hatte sie einen geblümten und verhältnismäßig hübschen preiswerten Vorhang aufgehängt. Der kleinere Raum besaß auf der Saalseite eine Einbuchtung in der Wand. Anscheinend war dies der Platz für eine Kommode, die nie eingebaut worden war. Die Amme hatte auch vor diese einen Vorhang gehängt und dahinter die Truhe mit meinen Kleidern und Utensilien aufgestellt.Auf das Sims der Wandnische hatte sie eine Kamindecke gelegt und diese mit einer hübschen Nadel geschmackvoll in der Mitte gerafft, so daß sie einem Schmetterling glich. Darauf hatte sie eine Lampe mit tulpenförmigem Glasschirm gestellt sowie einen kleinen Spiegel und einen Kamm gelegt. Ich war eine Braut, die nicht mal einen Spiegel mit Kerzenleuchtern besaß. Die andere Lampe mit tulpenförmigem Glasschirm stand im größeren Zimmer, dem Salon, wie ich ihn sehnsüchtig nannte. In diesem Raum befand sich zu beiden Seiten der Tür je ein Fenster zum Eiwan hin. Neben dem Becken lag ein Gärtchen, zwei mal ein Meter groß und trocken wie die Wüste. Die Gesamtfläche dieses Hauses betrug nicht einmal hundertfünfzig Quadratmeter.
    Die Amme lud das Gepäck aus der Kutsche und brachte es in die Küche beziehungsweise ins Wohnzimmer. Ich betrat den Hof und starrte sprachlos auf Türen und Mauern. Das gesamte Haus war nicht einmal so groß wie der Hinterhof meines Elternhauses. Die ärmliche Hochzeit, das bescheidene Häuschen und dieser schwere und schmerzliche Tag, der mein Hochzeitstag war, hatten mich schachmatt gesetzt. Unterhalb des großen Zimmers befand sich ein kleines Wasserreservoir, und ich fürchtete, die Decke des Reservoirs, die den Fußboden des Zimmers bildete, würde einbrechen und uns

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