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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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ein Tablett samt Teeglashaltern aus Silber. Eine Wasserpfeife samt Pfeifenkopf aus Silber, eine Besteckgarnitur, zwei kleine Lampen und eine große mit tulpenförmigem Glasschirm. Ein paar Sitzkissen, zwei Petroleumlampen und ein Windlicht. Es war die Frau Amme, die meine Aussteuer ganz allein in meinem zukünftigen Haus arrangierte, das ich noch nicht gesehen hatte.
    Wie sehr sich all dies unterschied von der Überbringung von Nozhats Aussteuer. Zu ihrer Hochzeit hatte man aus dem Haus desBräutigams Präsentierteller voller Gebäck gebracht, Spiegel samt Kerzenhaltern, Termeh , Henna, Noql und Kandis. Und meine Mutter schickte ihrem Schwiegersohn Nassir Chan tragbrettweise die Aussteuer. Maulesel um Maulesel mit Bettwäsche aus Satin und Samt und Seidenteppichen. Farbige Leuchter mit Glasverkleidung, Lüster und mehrere Lampen mit tulpenförmigem Glasschirm. Alles, was es gab, von schneeweiß bis rabenschwarz. Perlenbestickte Sitzkissen. Von Schminkutensilien bis hin zur Kücheneinrichtung. Porzellan-, Kristall- und Silbergeschirr aller Art. Paillettenbestickte Vorhänge und Schals aus Kaschmir und Termeh . Eine vollständige Ausstattung fürs Bad. Einen kleinen Garten neben dem Garten meines Vaters in Gholhak. Außerdem die Hälfte eines kleinen Orts, dessen andere Hälfte für mich bestimmt war, was mein Vater geflissentlich übergangen hatte.
    Was für eine Hochzeit hatte man Nozhat ausgerichtet! Sieben Tage und Nächte Jubel und Trubel im Andaruni und Biruni . Was für ein Trauungstuch es gab! Die Tischdecke aus Termeh und den Spiegel mit mannshohen Kerzenleuchtern aus Silber. Das Kandiskörbchen war sehenswert. Auf Anweisung meiner Mutter hatte man es farbig gestaltet. Das Tablett für den Weihrauch war silbern. Ein Ssangak-Brot mit dem Hochzeitsglückwunsch als Verzierung. Mein Vater übergab meiner Mutter vergoldete Münzen, um sie über dem Brautpaar ausstreuen zu lassen. Hinter der Gartenmauer war die Menge in dichten Reihen zum Zuschauen gekommen. Das Brautkleid war traumhaft. Eine armenische Madame, die in der Lalehzar ein Geschäft besaß, hatte es angefertigt. An dem Tag, als man das Gesichtshaar der Braut mit einem Faden auszupfte, herrschte eine Schlemmerei fast wie am Hochzeitstag. Meinen Eltern waren Flügel gewachsen. Wie schnell hatte mein Vater sich mit Nassir Chan angefreundet. Unentwegt klopfte er ihm auf den Rücken und lachte und scherzte mit ihm.
    Meine Hochzeit war von anderer Art. Wie ausgestorben. Niemand hatte Lust dazu. Und ich selbst war am ungeduldigsten. Ich wollte so schnell wie möglich aus dem Haus fliehen, um von dem Druck befreit zu werden.
    Am Donnerstag verzogen sich meine Eltern bereits früh am Morgen in einen Winkel des Hauses. Meine liebe Amme arrangierte mit Chodjastehs Hilfe im Nebenzimmer den Kuchen, Sherbet undObst und stellte die Lampen mit tulpenförmigen Glasschirmen auf. Keine Spur von Spiegel samt Kerzenleuchtern, keine Spur von einem Trauungstuch. Von der Hochzeit meiner Schwester unterschied sich die meine wie die Nacht vom Tag. Doch ich beklagte mich nicht. Ich achtete gar nicht darauf, sondern dachte an etwas anderes. Wäre die Amme nicht gewesen, hätte es nicht mal das bißchen Gebäck in dem kleinen Zimmer gegeben. Meine Schwester Nozhat kam zum Mittagessen. Ihr Ehemann hatte sich einen Vorwand ausgedacht und war zur Inspektion aufs Dorf gefahren. Ich wußte, daß er sich solch eines Schwagers schämte. Keiner fragte, weshalb Nassir Chan nicht gekommen war! Meine Schwester hatte vor Scham nicht einmal ihr Kind mitgebracht, um die Amme nicht mitbringen zu müssen, die den Bräutigam sehen würde. Nassir Chans Einstellung unterschied sich nicht sonderlich von der meiner Eltern.
    Es wurde allmählich kühl. Der Herbst hatte begonnen. Man hatte die Türen zum Hof geschlossen. Ungefähr eine Stunde vor Anbruch der Dämmerung traf der Trauungsbeauftragte zum Rezitieren des Ehevertrags ein. Dann erschienen Rahim und seine Mutter. Rahim trug neue Kleider, einen Anzug mit Weste und schwarze Lederschuhe. Wieder war sein Haar wirr. Er war wirklich schön und begehrenswert anzusehen, obwohl ich ihn mit langem Umhang und offenstehendem Hemd viel lieber hatte. Offensichtlich fühlte er sich in dieser Bekleidung ein wenig unwohl.
    Seine Mutter war eine kleinwüchsige, abgezehrte Frau, die Ziwar Chanum hieß. Ihr weißes Haar hatte sie mit Henna gefärbt und in der Mitte gescheitelt, was unter ihrem Samtkopftuch zu sehen war. Sie hatte kleine schwarze Augen, die durch

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