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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Antimon noch dunkler wirkten. Ihre schmale Nase und ihre wohlgeformten Lippen waren denen Rahims nicht unähnlich. Nur die großen Augen mußte Rahim von seinem Vater geerbt haben. Ziwar Chanum war flink und gewitzt. Sie trug ein neues geblümtes Kattunkleid. Sobald sie das Zimmer betreten hatte, stellte sie den mitgebrachten Zuckerhut auf den Boden und drückte mir ganz entzückt zwei dicke Küsse auf die geschminkten Wangen und sagte, »Diesen Tag hatte ich mir für meinen Sohn gewünscht.«
    Sie duftete nicht nach Rosenwasser. Ich saß mit enthaartem und geschminktem Gesicht in meinem rosa Satinkleid da, das man fürdie Brautwerbung des Sohns der Prinzessin genäht hatte, und dachte, ich träume. Ich wünschte mir nur, daß Rahim, der bis zur Trauung im Hof stand, schneller kommen und mich mitnehmen würde. Um den neugierigen, bekümmerten oder unzufriedenen Blicken, um der künstlichen Betriebsamkeit, die Dadde Chanum und die Frau Amme an den Tag legten, und der kläglichen Zeremonie, die man für mich ausgerichtet hatte, schneller zu entkommen. Der Trauungsbeauftragte ging ins Fünftüren-Zimmer, in dem mein Vater apathisch und mit finsterer Miene saß, begab sich an die Tür zum Nebenzimmer, in dem ich mich befand, und begann die Formeln des Ehevertrags zu rezitieren.
    Als er beim Betrag des Brautgelds anlangte, das mein Vater mit zweitausendfünfhundert Tuman angesetzt hatte, grub sich Rahims Mutter die Nägel ins Gesicht und sagte, »Gott, laß mich sterben!«
    Die Formel wurde dreimal aufgesagt. Ich mußte warten und nach Erhalt des Zir Lafzi -Geschenks ja sagen. Doch ich befürchtete, daß sie nichts Entsprechendes besaßen. Deshalb gab ich nach dem dritten Mal unverzüglich mein Jawort. Dadde Chanum streute Noql und Münzen über mein Haupt, welche Rahims Mutter und Chodjasteh lachend einsammelten. Die Ärmlichkeit der Zeremonie war bedrückend. Chodjastehs naive Bemühungen und die liebevollen Anstrengungen Dadde Chanums und meiner lieben Amme genügten nicht. Sie genügten nicht, um die Tatsachen in ihr Gegenteil zu verkehren. Um die Tatsache zu kaschieren, daß meine Eltern diesen Schwiegersohn nicht wollten. Um seine Armut zu verbergen. Rahims Mutter lachte fröhlich und steckte sich Noql in den Mund. Dann kam Rahim, und ich sah nur noch ihn. Dieselben großen Augen, der dunkle Teint und dasselbe verschmitzte Lächeln. Ich hatte mich geirrt, im Anzug wirkte er noch begehrenswerter. Die Amme nahm ihn an der Hand, führte ihn herbei, und er setzte sich neben mich. Er griff in die Jackentasche, zog ein Paar Goldohrringe heraus und legte sie in meine Hand. Dann näherte sich seine Mutter. Sie streifte mir einen goldenen Armreif über das Handgelenk und küßte mich erneut. Keine Spur von einem juwelengeschmückten Ring, dessen Funkeln die Blicke aller auf sich gezogen hätte. Statt dessen bestaunte ich das Funkeln seiner Augen. Keine Braut dieser Welt war betrübter und glücklicher als ich. Besonders, als er mit seiner kräftigen Hand meine kleine, weiche Hand ergriff und sagte,»Zu guter Letzt bist du doch noch meine Frau geworden!« Und wieder öffneten sich seine Lippen zu jenem verschmitzten Lächeln und zeigten seine perlenförmig aufgereihten Zähne.
    Meine ältere Schwester, die bedrückt und mutlos an der Schwelle des Zimmers gestanden und schweren Herzens zugesehen hatte, näherte sich mir. Sie streifte mir ein Paar breiter Armreife über die Hand und küßte mich. Mit Rahim sprach sie kein Wort. Ich bezweifelte, daß sie sein Gesicht auch nur eines Blicks gewürdigt hatte. Ich wußte nicht, ob sie ihn auf der Straße wiedererkennen würde. Quälende Stille breitete sich aus. Um sie zu beenden, begann Rahims Mutter zu trillern und Jubelschreie auszustoßen. Die Amme nahm ein Tablett und trommelte im Rhythmus dazu. Rahims Mutter, Dadde Chanum und Chodjasteh klatschten in die Hände. Mein Vater hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Als hätte er auf mein Herz eingehämmert. Mit lauter Stimme sagte er barsch, »Was hast du? Ist dir etwas zu Kopf gestiegen, Frau Amme?«
    Die Amme sagte sichtlich gekränkt diesseits der Tür, »Ach, Agha, unsere Tochter hat doch geheiratet. Wir feiern. Das bringt Glück.«
    Mein Vater schrie gebieterisch, »Gib ihnen die Trommel, daß sie sie nach Hause mitnehmen und bis zum Morgengrauen so oft schlagen, wie es ihnen gefällt. Veranstalte hier nicht solch einen Lärm.«
    Die Amme legte das Tablett verdrossen und gedemütigt auf den Boden zurück. Wir wußten nicht

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