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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Schreiner ist, soll er doch. Arbeit ist keine Schande. Ihnen, die Sie in Adelskreisen verkehren, müßte so etwas doch bekannt vorkommen. Sonderbar war Tahere Chanums Tat, die ein Verhältnis mit dem Steuereinnehmer ihres Ehemanns hatte!‹«
    Ich sagte, »O weh, liebe Amme, Gott lasse mich sterben. Hat sie das einfach so gesagt? Vor allen? Meinte sie Ata od-Doules Schwägerin? Ihre Tante mütterlicherseits? Und was hat sie geantwortet?«
    »Die? Was hätte sie denn antworten sollen? Sie machte keinen Mucks. Dann verschwand sie unter dem Vorwand, sie hätte Kopfschmerzen. Deine Chanum Djan hat Nozhat gescholten, sie hätte sehr häßlich gesprochen. Doch meine Nozhat Djan hat gesagt, ›Weshalb? Die Leute laden tausenderlei Schande auf sich und tun ganz ungerührt. Sollte ich dann sitzen bleiben und mir die Sticheleiendieser potthäßlichen jungen Frau seelenruhig anhören? Nein, Chanum Djan. Ich bin nicht wie Sie, daß ich ständig auf diese und jene Rücksicht nehme und mich innerlich verzehre. Ich laß mich nicht wie Sie von dieser oder jener schikanieren. Laß sie sagen, Nozhat habe ein loses Mundwerk. Sollen sie mich respektieren. Diese Leute, die den Splitter im Auge der anderen sehen, aber nicht den Balken im eigenen, haben nichts Besseres verdient.‹«
    Wie sehr die Amme und ich lachen mußten. Wie lieb und teuer mir Nozhat war. Sie hatte es der anderen heimgezahlt. Ich sagte, »Liebe Amme, gib Nozhat einen Kuß von mir. Gib ihr einen dicken Kuß auf ihre kugelrunden Wangen. Sag ihr, ›Hab recht schönen Dank. Du hast es ihr heimgezahlt.‹ Sag ihr, daß ich sie vermisse.«
    Mein Kinn begann zu zittern, als müßte ich weinen. Ich beherrschte mich. Als die Amme ging, küßte ich sie. Als würde ich Agha Djan und meine Mutter küssen. Als würde ich Nozhat und Chodjasteh und Manuchehr küssen. Als würde ich den Staub auf dem Weg zu den geliebten Menschen küssen.
    Nachdem sie gegangen war, legte ich das Geld in die Wandnische. Als Rahim mittags kam, war er fröhlich. Er hatte einen Auftrag bekommen. Ich fragte, »Von wem?«
    »Von einem Schreiner, der in Arbeit erstickt. Er sagte, er hätte die Anfertigung sämtlicher Fenster und Türen für das Haus eines Aristokraten übernommen. Als er feststellte, daß er den Auftrag nicht rechtzeitig fertigstellen kann, hat er sich meine Arbeit angeschaut, und sie hat ihm gefallen. Einen Teil dieses Auftrags hat er mir übertragen.«
    Er zog fünf Tuman aus der Tasche und legte sie neben mein Geld in die Nische. Er hatte sie als Vorschuß bekommen. Ich freute mich über seinen Auftrag. Ich wußte, seine Arbeit war tadellos, und er würde, falls er sich dahinterklemmte, rasch Karriere machen. Doch mißfiel mir, wie er sich ausdrückte. Ich mochte nicht, daß er Aristokraten sagte. Wenn er diesen Ausdruck benutzte, schien es, als würde er zu ihnen aufschauen. Und ich, als seine Ehefrau, würde gezwungenermaßen auf einer Stufe mit ihm auf sein Niveau hinabgezogen werden. Ich wünschte mir, er würde sagen, einer von uns… oder ich weiß nicht was, irgend etwas, alles mögliche. Schließlich lebte die Tochter eines dieser Aristokraten in seinem Haus. Doch schien es, als wäre er sich dessen gar nicht bewußt. Hatte er keinVerlangen aufzusteigen? Hatte er sich mit seiner Stellung in diesem Leben abgefunden und hielt sie für naturgegeben? Fühlte er sich nicht minderwertig? Verspürte er kein Verlangen, vorwärts zu kommen? Besaß er keinen Ehrgeiz aufzusteigen? Wollte er nicht über sich hinaus wachsen und den Gipfel erreichen?… Ich wußte nicht, wie ich es ausdrücken sollte, doch war ich mißgelaunt. Besonders nachdem ich zuerst die Worte von Ata od-Doules Tochter gehört hatte, war ich jetzt ganz niedergeschlagen. In eine sonderbare Welt war ich eingetreten. Ich setzte ein Lächeln auf, um den Bekümmerten aufzumuntern. Der Ärmste begriff nicht, was mir Kummer bereitete. Er fragte, »Bist du traurig, Mahbube?«
    »Worüber?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Nein, ich bin nicht traurig. Ich habe nur Sehnsucht nach meiner Chanum Djan. Das ist alles.«
    Er lachte und setzte sich neben mich. Er faßte mir unters Kinn und hob meinen Kopf. Voll Leidenschaft sah er mir in die Augen und sagte, »Daß du mir so etwas ja nie wieder sagst! Es ist allmählich an der Zeit, daß du selber eine Chanum Djan wirst.«
    Sobald ich seine Augen aus so großer Nähe sah, so dicht an meinem Gesicht, so unbeschränkt, wurde mir ganz anders. Ich vergaß alle Adligen und Armseligen. Ich streckte

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