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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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vorzubeugen.

    Wie
es aussah, war das diesmal auch der Fall. Ihr Ehemann war wirklich ein
Prachtkerl. Er mochte Schlägereien, war auch schon wegen Körperverletzung vorbestraft.
Ein halbes Jahr auf Bewährung. Natürlich. Aber das war acht Jahre her, und für
ein paar Jahre hatte er sich scheinbar zusammengerissen, dann, vor drei Jahren,
wurde ihm wegen »Unregelmäßigkeiten« gekündigt. Er war der typische Hartz
IVler, wie man sie aus diesen fiktiven Pseudo-Reality-Soaps kannte, in denen
das ganze Elend von schlechten Laiendarstellern so glaubwürdig dargestellt
wurde, dass der typische Fernsehverdummungskonsument gar nicht verstand, was es
bedeutete, wenn im Abspann dann stand, dass alles nur erfunden war. Kein
Wunder, es wurde ja eh meist schnell die Werbung darüber geblendet.
    In diesem
Fall aber imitierte das Leben die allzu schlechte Kunst.
    Letzte Woche hatte ich mir die Misere selbst angeschaut, war ja
nicht weit von hier, knapp fünfzig Kilometer. Eine Wohnung im dritten Stock auf
der anderen Straßenseite war leer, ich liebte es, wenn einem die Immobilienmakler
den Hinweis auf die Fensterscheiben klebten, dass hier eine Wohnung zu verkaufen
wäre. Von dort aus hatte ich einen Logenplatz auf das Trauerspiel gehabt.
    Ich trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch … meine Vernunft
sagte mir, dass ich die Finger davonlassen sollte.
    Eheprobleme waren nicht mein Ding, darum sollte sich besser das
Sozialamt kümmern. Oder die Polizei. Es gab nur ein kleines Problem dabei. Vor
sechzehn Jahren hatte die Polizei schon einmal an ihm versagt. Die damalige
Freundin des Herrn war unglücklich auf der Treppe gestürzt und hatte sich das
Genick gebrochen. Angeblich war er nicht einmal in der Nähe gewesen. Es war
wohl bereits öfter geschehen, dass sie die Treppe heruntergefallen war, das
hatte sie sogar selbst zu Protokoll gegeben. Und niemand hatte sich je
gewundert, dass eine Treppenstufe ein blaues Auge verursacht haben sollte. Er
war damals siebzehn Jahre alt. Sie wurde nur fünfzehn.
    Ziemlich früh, um mit seinem ersten Mord durchzukommen. Ich
verachtete solche Typen, sie waren in meinen Augen nichts als Abschaum. Und ich
hatte selbst erlebt, was geschehen konnte, wenn man sie nicht aufhielt.
Irgendwann dachten sie, sie kommen mit allem durch.
    Damit kannte ich mich aus.
    Ich hörte Ana Lenas Motorroller, fuhr den Rechner herunter, tauschte
die Festplatte aus und deponierte sie im Nachbarkeller. Man müsste schon das
ganze Haus abreißen, um den Tresor zu finden. Das leer stehende Nachbarhaus,
nicht unseres.
    Abgesehen davon, dass ich es gekauft hatte, weil es für meine Zwecke
praktisch war, könnte es sich in der Zukunft noch als gute Geldanlage erweisen.

    Ana
Lena war reiten gewesen und noch immer ganz aufgekratzt. Offenbar gab es »zuuufälligerweise«
ein Fohlen günstig zu kaufen, und ihr Pflegepferd war ja schon sooo alt.
    »Ich
dachte, Oskar wäre gerade mal sieben?«
    »Ja, schon«, gestand sie. »Es geht hier um ein Fohlen, Onkel
Heinrich!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Das kommt nicht infrage.«
    »Sie soll nur dreitausend Euro kosten!«
    »Gut«, nickte ich gönnerhaft. »Wenn du das Geld zusammen hast,
kannst du es dir ja kaufen.«
    »Onkel Heinrich!«, protestierte sie und sah aus, als ob sie mit dem
Fuß aufstampfen wollte. »Dafür bräuchte ich ja ewig!«
    Genau.
    »Du sagst immer, ich soll Verantwortung lernen«, versuchte sie es
erneut, während ich das Abendbrot zubereitete.
    »Dann könntest du bei Captain Jack anfangen«, bot ich ihr an und
schob ihr das Brettchen hin. »Den hast du heute vergessen zu füttern.«
    »Das passiert mir so gut wie nie!«, behauptete sie.
    Ich nickte zustimmend. »Nur jeden zweiten Tag.«
    »Weißt du was?«, fauchte Ana Lena und stand vom Tisch auf. »Du bist
so was von scheiß unfair!« Damit rauschte sie aus der Küche und knallte die Tür
zu. Nur einen Augenblick später wurde das Haus von ihrem Bass erschüttert.
Captain Jack sah zu mir hoch, schnurrte mir einmal ums Bein, um ihr dann nachzutapsen.
    Ich konnte schwören, der Kater verstand jedes Wort!

    Nach
dem Abendessen ging ich ins Büro hinunter, um ein paar Angebote zu schreiben
und die Post zu bearbeiten. Es sah aus, als ob ich ein Geschäft machen könnte,
zweihundert Tonnen Altmetall, die nach Luxemburg gehen konnten, ob ich den
Zuschlag auch bekam, blieb abzuwarten. Wenn es klappte, blieb genug übrig, um
Ana Lena ihr verdammtes Fohlen zu kaufen. Früher oder später würde sie

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