Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
Vom Netzwerk:
beugte sich leicht vor und
schmunzelte ein wenig, als mein Blick unwillkürlich zu den drei offenen Knöpfen
ihrer Bluse abrutschte. »Was hast du mit ihm zu tun?«
    »Er hat einem Freund etwas gestohlen«, erklärte ich ihr.
»Unterlagen, mit denen er nichts anfangen könnte.«
    »Welche Art von Unterlagen?«
    »Frachtunterlagen und Angebotskalkulationen.«
    Sie nickte leicht und stand auf, öffnete die Bar und nahm mir das
Glas aus den Fingern, um mir und ihr nachzuschenken. »Das hört sich nicht nach
Lucio an«, meinte sie dann.
    »Danke«, sagte ich, als ich das Glas entgegennahm. »Also, was könnte
Lucio mit der Transportbranche zu tun haben?«, fragte ich sie.
    »Meines Wissens nach nichts«, antwortete sie und lehnte sich gegen
den Sessel. »Er mag irgendwelche Kunden gehabt haben, denen solche Unterlagen
etwas nützen können, aber irgendwie bezweifle ich das. Es passt einfach nicht
zu ihm.«
    »Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass er den Kram für jemanden
anders gestohlen haben muss. Irgendeine Idee, für wen er so etwas tun würde?«
    »Für jeden, der ihn dafür bezahlt«, sagte Irina verächtlich.
»Valente war ein kleiner Fisch, Heinrich, und wir hatten gerade nicht viel mit
ihm zu tun. Er ging uns aus dem Weg.« Sie sah meinen Blick und lächelte ein wenig.
»Leute in Cafés umzulegen ist so … Achtziger. So etwas machen wir nicht mehr.«
    Ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie die Wahrheit sagte. Die
beiden, vor allem Irina, waren zu schlau dafür. »Gut«, nickte ich. »Wer macht
so etwas heute noch?«
    »Außer den Chinesen?«, fragte sie. Sie lächelte noch immer, aber
meine Nackenhaare stellten sich auf. Orlov und sie hatten beide noch eine
Rechnung mit den Triaden offen, und irgendwann würden sie diese Schuld auch
eintreiben. Wir hatten damals nicht herausfinden können, wer Natascha entführt
hatte. Aber es war ein Chinese gewesen, der ihr den Finger abgeschnitten hatte.
Einer, der am ganzen Körper tätowiert gewesen war. Was auf die Triaden hinwies.
Und wenn Irina jemals herausfand, wer dahintersteckte, dann hoffte ich zwei
Dinge: Zum einen, dass sie es überlebte, zum anderen, dass ich mich dann am
anderen Ende der Welt befand. Sie lauerte geradezu darauf, dass man ihr in die
Quere kam. Und es sprach für die Vernunft der Chinesen, dass sie einen weiten
Bogen um sie machten.
    »Ja«, nickte ich. »Außer den Chinesen.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Da fällt mir niemand ein«, erklärte
sie. »Ich tippe immer auf die Chinesen. Ich bin sehr voreingenommen, was sie
angeht.« Ja. Das war bekannt. Ihr hartes Lächeln sagte mir, dass sie in absehbarer
Zeit auch nicht vorhatte, das noch zu ändern.
    »Nun, der Schütze zumindest war ein Kaukasier.« Ich beschrieb ihr
den Mann, und eine feine Falte erschien auf ihrer Stirn, als sie nachdachte.
    »Es geht das Gerücht, dass jemand einen Spezialisten nach Frankfurt
geholt hätte, um mehrere Probleme zu lösen.«
    »Kannst du mir mehr darüber sagen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er soll ein Ungar sein. Angeblich ein
Unabhängiger, der die letzten Jahre in Mexiko gearbeitet haben soll, bis es ihm
dort zu heiß wurde. Das ist alles, was ich gehört habe.«
    »Von wem stammt das Gerücht?«
    Ihr Lächeln wurde breiter, und sie zeigte scharfe Zähne. »Rate mal.«
    Von den Chinesen.

    Sie
hatte mich noch eingeladen, etwas länger zu bleiben, aber ich hatte dankend
abgelehnt. Damals in Petersburg hatten wir was laufen gehabt. Sie behauptete
noch immer, dass es privat gewesen wäre und nicht, weil sie auf mich angesetzt
worden war. Ich neigte sogar dazu, ihr zu glauben. Alexej war auch kein Freund von
Traurigkeit, und ich wusste, dass er sich ab und zu mit ein paar seiner Mädels
entspannte. Sie führten eine sogenannte offene Beziehung und auch Irina nahm
sich Liebhaber. Doch sie waren beide meine Freunde, und ich wollte keinen
Stress mit ihnen. Vor allem, weil jeder der beiden einem mit einem Anruf die
halbe russische Mafia auf den Hals hetzen konnten. Oder die ganze.
    Aber einen
kleinen Schritt war ich weiter. Ein Ungar. Ein Auftragskiller, der hier in
Frankfurt mehrere Probleme lösen sollte. Wenn Valente ein Problem gewesen war,
konnte man es getrost als gelöst ansehen. Wer waren die anderen Probleme?
    Und was zur Hölle hatte Marvins CD mit dem ganzen Mist zu tun? Oder
den Chinesen?

    Als
ich nach Hause kam, war es halb zwei morgens. Später als gedacht, und Ana Lena
war auch noch nicht zu Hause. Selbst wenn sie es nicht wahrhaben wollte,

Weitere Kostenlose Bücher