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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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Bar ihr und mir einen Wodka einzuschenken.
    Sie hielt mir ein Glas entgegen und lächelte verhalten
    »Heinrich«, begrüßte sie mich mit rauchiger Stimme.
    »Irina«, sagte ich, nahm das Glas und stieß mit ihr an.
    »Auf uns«, sagte sie mit diesem leichten Akzent, den ich so mochte.
    »Za náshu drúschbu«, antwortete ich und trank aus, um mich dann kurz
zu schütteln. Wodka war nicht gerade das Getränk meiner Wahl. Major Irina
Tarasow von der Bundesagentur für Sicherheit der Russischen Föderation, ehemals
Komitee für Staatssicherheit, also dem KGB, war eine der Frauen gewesen, die
mich hatte zum Schwitzen bringen können. Ich hatte sie kennengelernt, als ich
94 den Auftrag erhielt, den Mord an einer deutschen Botschaftsangestellten
aufzuklären. Sie war mein persönlicher Schatten, Albtraum und Partner gewesen.
Der SWR war so etwas wie das FBI der Russen, und bis ganz zum Schluss hatte ich
nicht gewusst, welches Spiel sie gespielt hatte. Das Ganze endete damit, dass
sie mich angeschossen hat. Ein glatter Durchschuss, die Kugel blieb in dem
Typen stecken, der mir eine Kalaschnikow an den Kopf gehalten hatte.
    Ein Jahr später hatten sie und Orlov mich zu ihrer Hochzeit
eingeladen, aber meine Vorgesetzten waren der Ansicht gewesen, dass es für mich
inopportun gewesen wäre, daran teilzunehmen.
    Sie war außerdem Nataschas Mutter, und vor sechs Jahren hatten sie
und ich alle Hände voll damit zu tun gehabt, Alexej davon abzuhalten, einen
Privatkrieg gegen die Triaden loszutreten. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht
einmal gewusst, dass die beiden nach Deutschland gekommen waren.
    Ganz ohne Zweifel waren sie Kriminelle, aber sie waren auch meine
Freunde. Zudem hatten sie ihr Geschäftsmodell an die modernen Zeiten angepasst.
Sie betrieben eine Handelsbank in Frankfurt und beide besaßen eine blütenreine
Weste, weniger mit Persil als mit Geld gewaschen. Man brauchte auch nicht
darüber zu spekulieren, woher das Grundkapital ihrer Bank rührte. Jeder wusste
es. Nur war es ihnen nicht nachzuweisen. Dass sie mit Sicherheit noch immer
ihre Finger in allen möglichen Sahnetorten hatten, stand dabei auf einem
anderen Blatt.
    »Ich bin doch nicht blöde, Heinrich«, hatte mir Orlov damals
erklärt. »Warum soll ich mich mit Drogen und Huren abgeben, wenn das Geld doch
ganz woanders turmhoch rumliegt?«
    Recht hatte er. Was keineswegs bedeutete, dass die beiden nicht
zimperlich mit ihren Kontakten waren und bei fast jedem nicht ganz legalen
Spielchen dabei waren. Aber nur, wie Irina sagte, um dafür zu sorgen, dass es
keinen Ärger gab. »Hier in Deutschland denkt jeder gleich, dass man zur Mafia
gehört, wenn man sagt, dass man Russe ist«, hatte sich Irina beschwert. »Wir
haben ein Imageproblem … und genau darum kümmern wir uns.« Damit war ich auch
nicht viel schlauer als zuvor, aber ich konnte mir denken, was sie mir damit
hatte sagen wollen.
    »Wie geht es Natascha?«, fragte ich, während mich Irina mit einem
Blick zu dem Arbeitszimmer dirigierte, das links von dem Salon abging. Die fünf
Fußballfans warfen mir nur einen neugierigen Blick zu, um sich dann wieder dem
Bildschirm zuzuwenden.
    Sie schloss die Tür hinter uns und wies auf eine Gruppe tiefer
Ledersessel, die neben dem kalten Kamin stand. Die Wände waren mit
überquellenden Bücherregalen vollgestellt, und der Schreibtisch gehörte in ein
Museum. Bei Orlov war ich mir nicht sicher, aber Irina hatte mit Sicherheit
jedes dieser Bücher auch gelesen.
    »Gut«, antwortete sie mit einem leichten Lächeln, während sie
elegant in einen der Sessel sank. »Sie ist mit Alexej in London. Shoppen. Gibt
unser Geld aus, als gäbe es kein Morgen.« Man hatte Natascha damals den Finger
wieder angenäht, abgesehen davon, dass er etwas kürzer war, sah man ihm kaum
mehr etwas von der Verletzung an. »Sie hat auch nur noch selten Albträume.«
Ihre grauen Augen hielten mich fest. »Wenn wir dich einladen, hast du immer
etwas anderes zu tun«, fuhr sie leicht vorwurfsvoll fort. »Und dann, aus
heiterem Himmel, rufst du an und kommst vorbei. Was willst du, Heinrich?«
    »Lucio Valente«, sagte ich.
    Sie nickte leicht. »Ich hörte, er wäre gestern erschossen worden«,
sagte sie. »Was ist mit ihm?«
    »Ich saß zwei Tische entfernt, als es geschah«, erklärte ich.
    Sie hob eine elegant geschwungene Augenbraue. »Wir haben damit
nichts zu tun. Aber das weißt du ja. Wir hätten das Problem eleganter gelöst.
Wenn wir ein Problem mit ihm gehabt hätten.« Sie

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