Der Müllmann
»Ich habe auch mit Nina gesprochen«, fuhr ich fort.
»Sie will nachher vorbeikommen.«
»Wir haben schon telefoniert«, sagte Ana Lena und spielte mit
Georges Schlappohren. »Ich weiß immer noch nicht, was ich tun soll«, gestand
sie leise. »Am liebsten würde ich ihm den Schwanz abschneiden.«
»Würde es dir auch genügen, wenn er einfach so verschwindet?«,
fragte ich wie nebenbei, das Schw…-Wort für den Moment geflissentlich
ignorierend.
»Nein«, antwortete Ana Lena bitter und schüttelte den Kopf. »Dann
macht er nur woanders weiter. Der gehört aus dem Verkehr gezogen, nur habe ich
von Jenny schon gehört, dass andere das schon versucht haben und gescheitert
sind.« Ihr Lächeln war vollständig verschwunden, und sie sah ins Leere. »Wenn ich
an den Kerl nur denke, wird mir schon schlecht«, flüsterte sie und demonstrierte
sogleich, dass sie es wörtlich meinte. »Kannst du mal kurz anhalten?«, fragte
sie hastig. »Ich glaube, ich muss tatsächlich kotzen.«
Während
der restlichen Fahrt saß sie nur still und bleich da und kraulte George,
während ich mit einer Wut und einem Zorn zu kämpfen hatte, wie ich es schon lange
nicht mehr erlebt hatte. Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich selbst. Wohin
das führt, liegt noch im Kofferraum! Auf der anderen Seite sollte man auch
keine Hunde treten.
Dafür legt man aber keinen um.
»Wuff«, meinte George und fasste das Dilemma damit recht gut
zusammen.
Als ich in unsere Straße einschwenkte, sah ich schon den schwarzen
BMW dort stehen. Diesmal trug Marietta Jeans, Cowboystiefel und eine weiße
Bluse unter der schwarzen Lederjacke. So wie sie mit offenen Haaren an der
Motorhaube ihres Wagens lehnte und sich mit ihrem Dressman-Kollegen unterhielt,
hätte sie Werbung für die Marlboro-Frau machen können.
Als sie mich ankommen sah, schien sie erst erfreut zu lächeln, bis
ihr wohl wieder einfiel, dass sie offiziell da war.
Ana Lena war so in Gedanken versunken, dass sie die beiden erst
bemerkte, als ich ausstieg und Marietta auf uns zukam. Wieder blieb Berthold
beim Wagen stehen und beobachtete alles von dort aus.
Als George II. aus dem Wagen sprang und Marietta schwanzwedelnd
begrüßte, erschien eine steile Linie auf seiner Stirn. »Na, was bist denn du
für einer«, meinte Marietta und kraulte George hinter seinen Ohren, was diesen
sofort in ekstatische Verzückung geraten ließ. Ich konnte ihn verstehen.
»Wer ist das?«, fragte mich Ana Lena misstrauisch, gerade so leise,
dass es Marietta auch hören konnte.
»Ich bin Hauptkommissarin Marietta Steiler«, begann Marietta mit
einem freundlichen Lächeln. »Ich …«
Viel weiter kam sie nicht, Ana Lena wirbelte herum und bedachte mich
mit einem Blick, den ich so bald nicht wieder vergessen würde.
»Du hast versprochen, nichts zu unternehmen, bis ich selbst mich entscheide!«,
rief sie vorwurfsvoll, während die ersten Tränen in ihren Augen erschienen.
»Und ich dachte, ich könnte mich auf dich verlassen!« Sie wartete gar nicht
erst auf meine Antwort, sondern rannte direkt ins Haus. George sah ihr nach,
dann hoch zu mir und Marietta und trottete dann seinem neuen Frauchen nach.
»Was war das?«, fragte Marietta, während Kommissar Berthold George
mit seinem Handy fotografierte, gerade als der mit Ana Lena im Haus verschwand.
So laut, wie Ana Lena die Eingangstür zuwarf, hörte es sich an wie ein
Böllerschuss.
»Sie denkt, du wärest wegen ihr hier«, erklärte ich leise. »Warum
fotografiert dein Kollege meinen Hund?«
»Er züchtet Beagles«, erklärte sie schulterzuckend. »Vielleicht
deshalb.« Sie sah grübelnd zum Haus hin.
»Und was verschafft mir tatsächlich die Ehre deines Besuchs?«,
fragte ich, während ich noch überlegte, ob ich sie ins Haus einladen oder hier
draußen auf der Straße abfertigen sollte. Der Nachbar mit den Gartenzwergen
drückte jedenfalls seine Nase schon an der Scheibe platt. »Ich dachte, wir
hätten alles geklärt.«
»Haben wir auch. Es geht nicht um Valente«, sagte sie und griff
unter ihre Jacke. Sie hielt inne und musterte mich überrascht. »Ist etwas? Du
schaust so komisch.«
»Nein«, antwortete ich und vermied es, zum Kofferraum hinzusehen.
»Es geht um einen anderen Mord.« Sie zog ein iPad heraus und
schaltete es ein, um mir ein Bild zu zeigen. Ein Mann, um die vierzig, mit
einer Brille und schütterem Haar, der entspannt in die Kamera lächelte.
»Wer ist das?«, fragte ich. Ich hatte ihn schon irgendwo gesehen,
kürzlich erst, aber mir
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