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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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ich würde mich darum kümmern.
Nur nicht mehr heute.
    Als ich ins Auto stieg, schnüffelte Hund erst einmal kurz am
Kofferraum, bevor er in den Wagen sprang, und erinnerte mich damit an ein
anderes kleines Problem, das ich gestern vergessen hatte zu lösen. Zwar wohnten
wir hier richtig ruhig, aber es kamen zu oft Autos vorbei, als dass ich mir
sicher sein konnte, nicht beobachtet zu werden, wenn ich Hunds früheres
Herrchen auslud. Dazu kam noch der Nachbar mit den Gartenzwergen, der am
Fenster stand und mir gerade mit erhobener Faust drohte.
    Wie man seine Grundstücksgrenzen mit Gartenzwergen markieren konnte,
verstand ich sowieso nicht.

    Dafür
war Ana Lenas Reaktion auf Hund absolut vorhersehbar. Sie wollte mich gerade
zur Begrüßung umarmen, als sie Hund wahrnahm, der das Seitenfenster
beschlabberte. Sie ließ mich stehen, also ließ ich die Arme sinken und sah
schmunzelnd zu, wie die beiden sich begrüßten.
    »Oh, ist
der süß!«, rief sie begeistert und strahlte über das ganze Gesicht und drückte
Hund so fest, dass der ein wenig jaulend protestierte.
    »Sei ein wenig vorsichtig, er hat eine angebrochene Rippe«, erklärte
ich, doch sie hörte mich schon gar nicht mehr, gab kleine verzückte Geräusche
von sich, während Hund sie liebevoll abschlabberte.
    »Wie heißt er denn?«
    »Hund.«
    »Das ist doch kein Name!«, protestierte sie. »Ich weiß, wie wir ihn
nennen. George II. Wie den Hund von Mama!«
    »George II war kein besonders guter König«, meinte ich dazu.
    »Und auch kein guter Präsident!«, winkte Ana Lena ab. »Aber das ist
mir egal, jetzt heißt er George!«
    Jennys Mutter war auch herausgekommen und lächelte mich freundlich
an. »Das war eine gute Idee, ihr einen Hund zu besorgen.« Sie musterte mich
unauffällig in dieser Art, die Frauen haben, ohne dass sie mich direkt ansah.
    Dies war das erste Mal, dass wir uns persönlich begegneten, und ich
fragte mich, ob sie genauso viel über mich wusste wie ich über sie. Seitdem Ana
Lena und Jenny befreundet waren, hatten sie gemeinsam ein Loblied auf sie
gesungen.
    Groß, schlank, blond, mit wachen graublauen Augen, ein paar Jahre
jünger als ich. Seit zehn Jahren geschieden, arbeitete sie als Neurochirurgin
in der Frankfurter Uniklinik, hatte keinen aktuellen Freund, mochte griechisches
und indisches Essen, Ballett, Fahrradfahren und ging gern tanzen … und fand,
dass die meisten Männer für sie zu wenig in der Birne hatten. Seit Jahren
versuchten sowohl Jenny als auch Ana Lena uns miteinander zu verkuppeln.
    Was natürlich in Folge dafür sorgte, dass wir es auf beiden Seiten
bislang geschickt vermieden hatten, uns über den Weg zu laufen. Jetzt, wo ich
ihr freundliches Lächeln erwiderte, fragte ich mich, ob es nicht vielleicht ein
Fehler gewesen war, alleine die Art, wie sie mich ansah, erweckte mein
Interesse durchaus.
    Und gäbe es nicht Marietta …
    Ja. Nur dass die, so wie es im Moment aussah, eher geneigt wäre, mir
die Handschellen anzulegen, als sich wieder auf eine Beziehung mit mir
einzulassen.
    Ein anderes Mal, dachte ich und bedankte mich höflich bei ihr für
alles, was sie für Ana Lena getan hatte, während ihre kühle Hand einen Moment
länger in der meinen lag, als vielleicht unbedingt nötig gewesen wäre.
    »Nein«, sagte ich hastig, als Ana Lena ihren Sargrucksack in den
Kofferraum legen wollte. »Der ist voll, leg ihn einfach auf den Rücksitz.«
    »Wenn Sie wollen, können Sie Ana Lena jederzeit vorbeibringen«,
meinte jetzt Jennys Mutter, während sie mich mit einem scheuen Lächeln
bedachte.
    Da Ana Lena sowieso mindestens ein- bis zweimal pro Monat bei Jenny
übernachtete, wertete ich das als einen anderen Hinweis.
    »Vielleicht werde ich das tatsächlich tun«, meinte ich und wurde mit
einem strahlenden Lächeln belohnt, das mir zeigte, von wem Jenny ihr Charisma
geerbt hatte.
    »Sie ist nett, weißt du?«, teilte mir Ana Lena bedeutsam mit, als
ich losfuhr.
    Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. Jennys Mutter stand noch
immer da und sah uns nach. Ich winkte noch einmal kurz und nickte.
»Wahrscheinlich hast du recht«, gab ich zu, als ich mich in den Verkehr einfädelte.
»Wie geht es dir?«
    »Frag nicht«, sagte Ana Lena und ihr Lächeln schwand etwas. »Ich hab
gehört, du bist gestern Abend mit Henri aneinandergeraten?«
    »Ja«, sagte ich kurz, während sie Hund, nein George II., kraulte,
der im Fußraum saß und seinen Kopf auf ihren Schoß gelegt hatte. Offensichtlich
Liebe auf den ersten Blick.

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