Der Müllmann
vor, als hätte ich viel zu lange darauf gewartet«,
sagte Marietta schwer atmend, während sie sich aus meinen Armen löste und einen
Schritt zurücktrat. Sie musterte suchend mein Gesicht. »Sag etwas!«
»Du redest zu viel«, meinte ich und zog sie erneut an mich.
»Die
meisten Männer, die ich kenne«, meinte sie keuchend und löste sich von mir, um
ihre Kleidung wieder zu richten, »haben mehr Probleme, einen BH aufzubekommen.«
»Haben
sie?«, fragte ich und lachte leise. Das zu beurteilen, maßte ich mir nun
wirklich nicht an. »Ich hab es nicht einmal bemerkt.« Ich schüttelte den Kopf
und lehnte mich schwer atmend an den Kühlschrank. »Es ist jedenfalls ein Grund,
doch über Vorhänge nachzudenken. Gott, du siehst aus, als wärst du unter einen
Lastwagen geraten … auch wenn ich zugeben muss, dass mir dein Haar so gefällt.«
Sie lachte. »Bei dieser Art von Komplimenten liegen dir die Frauen
bestimmt scharenweise zu Füßen.« Ihr Lächeln schwand wieder, als sie meinen
Blick sah. »Es ist nichts passiert«, fügte sie hinzu. »Es war nur ein Kuss.«
Und etwas heavy Petting, das mich wie ein Teenager fühlen ließ. Gut,
dass sie die Bremse gezogen hatte.
»Ja, sicher. Wie ein Tsunami auch nur eine Welle ist«, protestierte
ich. »Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte dich auf dem Boden genommen!«
Sie nickte langsam. »Es hätte auch nicht viel gefehlt, und ich hätte
dich gelassen.« Sie band ihr Haar wieder zu einem Pferdeschwanz zusammen und
musterte mich suchend. »Und jetzt? War es ein Fehler? Ist es einer?«
Ich fuhr mir durch das Haar und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es
nicht«, gestand ich zögernd. Ich sah nach draußen in die Dunkelheit, wo das
Absperrband die Küchenbeleuchtung reflektierte. Ich hatte Gernhardts Umschlag
noch immer nicht geöffnet, aber seine Worte klangen mir noch immer im Ohr. Ich
hatte dem Ungar den Vater genommen, und für den Moment sah es so aus, als
wollte er sich erst an denen rächen, die ich liebte. Was, wenn ich ehrlich war,
auch Marietta einschloss.
Ich holte tief Luft. »Wenn es ein Fehler ist, dann ganz bestimmt
nicht wegen der Sache damals. Ich bin mit Ana Lena zum Krankenhaus gefahren, um
Elisabeth abzuholen. Als wir ankamen, teilte man uns mit, dass sie schon
gegangen sei, ihr Mann hätte sie abgeholt. Die wussten nichts von der
einstweiligen Verfügung. Es ist mir auch noch immer schleierhaft, warum sie mit
ihm mitgegangen ist. Wir sind dann so schnell wie möglich wieder
hierhergefahren … und fanden die Kampfspuren in der Küche vor. Dann habe ich
die Polizei gerufen. Das war alles. Nur dass Elisabeth seitdem verschwunden
ist. Das ist die Wahrheit.« Wenn auch nicht die ganze. Ich sah ihr direkt in
die Augen. »Du brauchst nicht zu befürchten, dass da etwas ist, das auf dich
zurückfallen könnte.«
»Heutzutage ist es nicht so leicht, einfach so zu verschwinden«,
stellte Marietta leise fest. »Es wurde von keinem der Konten Geld abgehoben.
Deine Schwester hat sogar ihre Handtasche hiergelassen, mit ihrem Ausweis
darin. In den vergangenen acht Jahren hätte er oder sie irgendwo auftauchen
müssen.«
»Das weiß ich selbst«, sagte ich mit rauer Stimme. »Ich weiß auch,
was das üblicherweise bedeutet. Nur kann und will ich nicht glauben, dass sie
tot ist.«
»Weißt du«, sagte sie leise. »Ich habe schon einmal eine Dummheit
gemacht. Wenn wir … wenn herauskommt, dass da bei dir etwas ist, dann fällt das
auf mich zurück. Ich bin gerne Polizistin, Heinrich. Manchmal habe ich sogar
das Gefühl, dass ich auf diese Weise etwas zum Wohl der Gesellschaft beitragen
kann. Lach nicht, Heinrich, es ist mir wichtig.«
»Ich habe nicht gelacht«, protestierte ich. »Nur etwas geschmunzelt.
Es passt irgendwie zu dir.«
»Thomas meint, dass du gefährlich bist«, meinte sie, als sie sich an
meine Brust schmiegte. Ich hielt sie in meinen Armen und sah über ihre Schulter
aus dem Fenster in die Dunkelheit hinein. Lag dort Horvath irgendwo auf der
Lauer und hatte uns schon im Visier? Dann hoffte ich, dass er die Gelegenheit
ergriff, die sich ihm jetzt bot, und nicht erst wartete, bis Marietta aus der
Tür ging. Oder ich.
Wenn wirklich einer hinter einem her ist, zahlt sich Paranoia
manchmal aus. Im Haus gab es nicht ein einziges Fenster, das nicht schusssicher
war. Und dreifach wärmeisoliert.
»Nicht für dich«, sagte ich ernst. »Versprochen.«
»Hältst du noch immer alle deine Versprechen?« Sie hatte den Kopf an
meine Brust
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