Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
Vom Netzwerk:
Kollege vom AMK vielleicht?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Na, hätte ja sein können«, meinte Berthold mit einem Lächeln. »Wir
sehen uns noch.« Dann zog er die Tür hinter sich zu und ging zu seinem Wagen
zurück. Als er einstieg, winkte er mir noch fröhlich zu.
    Ich sah ihm zu, wie er davonfuhr, nahm dann das Foto zur Hand und
musterte es genauer. So viel also dazu, dass Gernhardt keine aktuellen Fotos
besaß. Von wegen. Ich nahm die Zeitung und warf sie in den Papierkorb, dabei
fiel ein anderes Foto heraus. Noch eine Aufnahme einer Sicherheitskamera vom
Frankfurter Flughafen. Nur dass diese nicht den Ungarn zeigte, sondern
Gernhardt, wie er ungeduldig auf seine Uhr sah.
    Ich pfiff leise durch die Zähne und musterte den Timecode auf dem
Foto. Tag und Uhrzeit stimmten. Zehn Minuten später war der Ungar in Frankfurt
gelandet. Marietta hatte recht, Berthold war gerissen.
    So viel also dazu, dass Gernhardt angeblich so wenig über den Ungarn
wusste. Ich nahm eine Lupe heraus und musterte das Päckchen, das Gernhardt in
der Hand hielt. Es war gerade groß genug, dass eine Walther hineingepasst
hätte.
    Ich ging in den anderen Keller, suchte mir den üblichen Kram
zusammen, den ich brauchte, und fuhr nach Bornheim, zu der Adresse, die
Brockhaus herausgefunden hatte. Auf dem Schild für die Wohnung im vierten Stock
stand der Name Schneider, ich klingelte, aber niemand öffnete.
    Es war eines dieser schicken Gründerzeithäuser, die man in
Eigentumswohnungen umgebaut hatte, und es gab noch fünf andere Klingelknöpfe.
    Irgendjemand öffnet immer, ohne Rückfrage, so auch hier.
    Auf dem polierten Namensschild im vierten Stock stand ebenfalls
Schneider. Ich klingelte erneut, klopfte und musterte dann das Schloss. Schön
und neu, kaum Kratzer daran. Die Firma machte Werbung damit, dass man es so gut
wie gar nicht knacken konnte. Die schöne alte Tür war restauriert und neu
lackiert worden, es änderte aber nichts daran, dass der Türspalt mehr Spiel
hatte als heutzutage üblich. Oder daran, dass die wenigsten Leute heutzutage
auch abschlossen.
    Warum sich ein schönes neues Schloss kaufen und dann die Tür nur
zuziehen? Sie hätten auch gleich eine Einladung drucken können. Zwei Sekunden
später war ich drin und zog die Tür leise hinter mir zu.
    Das ist Einbruch. Eine strafbare
Handlung, wie es so schön heißt.
    Sechs Zimmer, alle schön eingerichtet und renoviert, niemand zu
Hause. Mittlerweile war klar, welchem Zweck diese Wohnung diente. Zwei gut
ausgestattete Schlafzimmer, eines davon noch nett mit Andreaskreuz und diversen
Dekoelementen wie Peitschen und Handschellen ausgestattet. Die Bar war bestens
bestückt, und in den Schlafzimmerschränken hingen ein paar durchaus
interessante Kleidungsstücke in unterschiedlichen Größen. In einer Schublade
befand sich ein Packen Windeln für Erwachsene. Irgendwie hatte ich bis dahin
nicht so richtig glauben können, dass es wirklich Männer geben sollte, die auf
so etwas standen.
    In dem Schlafzimmer links, dem ohne Lederdekor, fand ich einen
großen Samsonite-Koffer, mit Kleidungsstücken und allem, was eine Frau so braucht,
daneben ein Rucksack, den ich kannte. Auf dem Schreibtisch in dem kleinen Büro
stapelten sich Fachbücher. Offensichtlich gehörten sie der Studentin, die bei
Lucio angeheuert hatte … und die er am Abend seiner Ermordung hatte aufsuchen
wollen. Auf dem Bett waren Kleidungsstücke verstreut, die die junge Frau
offenbar vor dem großen Spiegelschrank anprobiert hatte, auf dem Boden ein Paar
ultrahochhackige Stiefel, die ich nur ungläubig anglotzen konnte.
    Die Absatzhöhe betrug bestimmt zwanzig Zentimeter, und ich konnte
mir kaum vorstellen, dass irgendwer die Teile auch nur anziehen konnte, ohne
sich den Fuß zu brechen, geschweige denn darin einen einzigen Schritt machen zu
können. In diesem Schlafzimmer fehlten zwar die Folterinstrumente von nebenan, dafür
gab es eine ansehnliche Sammlung von Dildos in allen Größen und Farben, die ich
mit geradezu naivem Erstaunen registrierte, sowie gleich drei Schachteln
Kondome. Im Hunderterpack, aber noch nicht angebrochen. Die Dame hatte wohl
noch einiges vor.
    Auf dem Schreibtisch fand ich einen fast neuen Terminplaner,
demzufolge sie gerade eine Vorlesung in der Uni besuchte. Viel mehr an
Einträgen gab es nicht, offenbar hatte sie noch keine Kundenbesuche gehabt.
    Aber dennoch hatten Horvath und Muller hier mehrfach angerufen. War
unsere Studentin Gernhardts Mitarbeiterin, die sich hier für

Weitere Kostenlose Bücher