Der Müllmann
Blick schien mir
mitzuteilen, dass ich ja selbst daran schuld wäre. Wobei sie nicht ganz unrecht
hatte.
»Nein«, grinste Berthold, der das Ganze offensichtlich für sehr
unterhaltsam hielt. »Sie haben sich nur verdächtig verhalten.«
»Ich habe in meinem Auto gesessen«, widersprach ich empört.
»Eben. Eine halbe Stunde. Vor einem jüdischen Kindergarten. Sie
hatten Glück, es hätte nicht viel gefehlt und man hätte Sie mit einem
Einsatzkommando abgeholt.«
»Ein Kindergarten?«, fragte ich fassungslos. »Ich habe nicht mal
einen gesehen!«
»Das war auch die Idee«, grinste Berthold. »Man hat sich Mühe
gegeben, ihn nicht so auffällig zu gestalten, damit ihn niemand mit
selbstgebauten Bomben in die Luft sprengt!« Er schüttelte erheitert den Kopf.
»Tatsächlich hat es eine Bürgerinitiative gegen Kinderlärm gegeben, Kinder sind
ja heutzutage nicht mehr erwünscht. Also haben sie den Kindergarten so
umgebaut, dass die Kinder drinnen spielen.«
»Das meinen Sie jetzt nicht ernst, oder?«, fragte ich, während ich
mir die Handgelenke rieb. Vorhin hatten die Polizisten die Handschellen doch
etwas eng angelegt.
»Und ob«, meinte Berthold. »Ich weiß von drei Kindergärten, die
wegen störendem Lärm verklagt und dichtgemacht worden sind.«
»Danke, dass ihr gekommen seid«, sagte ich knirschend. Ich warf dem
einen Polizisten, der mich vorhin beinahe noch aus dem Auto gezerrt hätte,
einen bösen Blick zu. »Ein Kindergarten? Ernsthaft?«
Der Polizist zeigte sich wenig beeindruckt von meinem Blick und
zuckte nur mit den Schultern. »Es war eine Parkverbotszone«, sagte er und
drückte mir einen blauen Zettel in die Hand. »Halten nur bis fünf Minuten.
Hätten Sie sich dran gehalten, wäre nichts geschehen. Machen Sie es einfach
nicht wieder.«
»Gilt das auch für andere Kindergärten?«, wollte ich wissen.
»I wo«, sagte Berthold grinsend. »Vor deutschen Kindergärten können
Sie einen Laster tagelang stehen lassen, und wenn Sie einen muslimischen
finden, kann es sein, dass ein Neonazi Sie noch fragt, ob Sie Hilfe brauchen.«
»Thomas«, sagte Marietta scharf, doch Berthold schüttelte nur den
Kopf. »Du weißt, dass ich recht habe: Und du hast doch auch diesen Bericht
gelesen …« Er wandte sich wieder mir zu. »Gestern hat man auf offener Straße
eine junge Türkin zusammengeschlagen und keiner will es gesehen haben. Wie war
das? Sie hatten Glatzen und trugen Bomberjacken mit Springerstiefeln, aber
keinem sind sie aufgefallen?«
»Wo war das?«, fragte ich neugierig.
»In der Königsteiner Straße«, antwortete Marietta entnervt. Also
nicht weit von der Wohnung von Opa Niemann entfernt.
»Wo ist mein Wagen?«, fragte ich, als wir das Polizeirevier
verließen.
»Man hat ihn zur Spurensicherung gebracht«, erklärte Berthold mit
einem breiten Grinsen. »Aber keine Sorge, wir fahren Sie hin. Betrachten Sie es
als Dienst am Kunden.«
»Na?«,
fragte Berthold, als ich meinen Wagen vom Polizeihof fuhr und neben Marietta
und Berthold parkte, die beide an ihrem BMW lehnten.
»Noch alles
dran?«, stichelte der Kommissar, als ich zu ihnen an den Wagen kam. »Ich hatte
ja gehofft, sie würden ihn zerlegen … man wollte ihn auf Sprengmittel- und
Pulverrückstände untersuchen. Und auf alles andere, das ihnen so einfiel.«
»Ich weiß«, meinte ich und zündete mir eine Zigarette an. »Man hat
sich fast noch bei mir dafür entschuldigt, dass sie zu viel zu tun hatten, um
meinen Wagen sofort zu zerlegen.« Ich musterte Berthold. »Ich hoffe, es betrübt
Sie nicht zu sehr!«
»Jungs, seid friedlich«, mahnte Marietta.
»Was den Kindergarten angeht, habe ich meine Zweifel, dass das Ihr Ding
wäre«, meinte Berthold. »Aber Lucio ist gerade vier Straßen von dort erschossen
worden. Das Café ist zu … Also, was wollten Sie dort?«
»Nichts. Ich bin rechts rangefahren, um etwas in meinem Laptop
nachzusehen. Außerdem wollte ich Sie gerade anrufen.«
»Wollten Sie das?«, fragte er skeptisch. Ich nahm mein Telefon
heraus und drückte auf Wahlwiederholung. In seiner Tasche begann es zu bimmeln.
»Okay«, sagte Berthold. »Weshalb?«
»Wir sollten uns zusammensetzen und Informationen abgleichen.«
»Nun, da stelle ich Ihnen für den Anfang eine ganz einfache Frage«,
sagte Berthold. »Sind Sie zurzeit noch aktiv für den BND tätig?«
»Nein.« Jedenfalls hatte ich noch nicht unterschrieben.
»Sie sind jetzt also nur noch ein ganz normaler Bürger, richtig?«
Ich nickte.
»Gut. Können Sie
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