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Der multiple Roman (German Edition)

Der multiple Roman (German Edition)

Titel: Der multiple Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Thirlwell
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eines Mannes, der in der Erwartung starb, ein Duschbad zu bekommen. Du hast diese Schuhe seit zwei Tagen und sie sind die Lieblinge deiner Füße. Was sagst du – Verrat deiner Füße? Was genau willst du? Sie sind nicht die Michelangelofüße von Evangelisten oder von den Heiligen, die vor dem Paradies auf und ab schreiten, sondern die straßengefestigten Füße eines gewöhnlichen, lausigen Darmstädter Gaszählerablesers mit dotterigen Ballenzehen und Bursitis.« Aber er befand sich nicht – noch nicht – in einem Roman von Bellow. Es gab noch eine Zeitverschiebung. Dieses »dotterig« war gut. Und es arbeitete hart. Aber die Unterhaltung nicht. Die Handlung war nur ein Vorwand – zu fadenscheinig, zu offensichtlich angeklebt. Und so übte sich Bellow weiterhin im Überarbeiten.
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    Dann veröffentlichte Bellow 1953
Die Abenteuer des Augie March
, einen Roman, der von Augie March persönlich erzählt wird.
    Ich bin ein Amerikaner, geboren in Chicago – dieser finsteren Stadt – und gehe an Dinge im Freistil, so wie ich es mir selbst beigebracht habe, heran; und darum werde ich auch in der mir eigenen Art Bilanz ziehen und diesen Bericht schreiben. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! So wie’s anklopft, manchmal mit einem unschuldigen, manchmal mit einem weniger unschuldigen Klopfen, so wird’s hereingelassen. Aber das Wesen eines Menschen ist sein Schicksal – sagt Heraklit –, und am Ende kann doch nichts über die wahre Natur dessen, was da pocht, hinwegtäuschen. Weder spielerische Lautmalerei der Fingerknöchel gegen die Tür noch Glacéhandschuhe.
    Jeder weiß, daß Unterdrückung von Teilen eines Ganzen, fein säuberlich nur auf ein Teil begrenzt, nicht möglich ist; unterdrückst du auch nur ein Teil, werden auch die anderen Teile des Ganzen davon in Mitleidenschaft gezogen. [420]
    Dieser Anfang ist berühmt. Denn er ist nicht auf Englisch geschrieben. Der Anfang spricht Amerikanisch. Aber was bedeutet das,
im Freistil
zu schreiben? Vier Jahre zuvor hatte die Ausgabe des
Partisan Review
vom November 1949 »Aus dem Leben des Augie March« enthalten – das erste Kapitel eines in Aussicht stehenden Romans von Bellow, der damals noch
Life Among the Machiavellians
geheißen hatte. Und dies war ähnlich, aber anders.
    Ich bin ein Amerikaner, geboren in Chicago – dieser finsteren Stadt – und gehe an Dinge im Freistil, so wie ich es mir selbst beigebracht habe, heran; und darum werde ich auch in der mir eigenen Art Bilanz ziehen und diesen Bericht schreiben. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! So wie’s anklopft, manchmal mit einem unschuldigen, manchmal mit einem weniger unschuldigen Klopfen, so wird’s hereingelassen. Aber das Wesen eines Menschen ist sein Schicksal – sagt Heraklit –, und am Ende kann doch nichts über die wahre Natur dessen, was da pocht, hinwegtäuschen. Weder spielerische Lautmalerei der Fingerknöchel gegen die Tür noch Glacéhandschuhe. Auch ich bin gespannt, welches Klopfen zu hören sein wird, wenn ich endlich meine Wette abgegeben habe. Mir mißfällt die Klebrigkeit jener List, die sich selbst in den bestgemeinten Berichten über Leben abbildet. Und jeder weiß, daß Unterdrückung von Teilen eines Ganzen, fein säuberlich nur auf ein Teil begrenzt, nicht möglich ist; unterdrückst du auch nur ein Teil, werden auch die anderen Teile des Ganzen davon in Mitleidenschaft gezogen. Auf der anderen Seite ist es ein gefährliches Spiel mit dem Glück, alles Klopfen willkommen zu heißen. Man kann nie voraussagen, ob ein Muskel, der durch unbewusste schlechte Angewohnheiten und Laster unverhältnismäßig gestärkt wird, nicht einmal ein solches Klopfen hervorbringen wird, das die ganze Tür zum Einsturz bringt und ein Loch in der Hauswand hinterläßt, ein viel gefährlicheres Klopfen als das theosophische, das während der abendlichen Séance herbeigerufen wird, denn jene kommen vermutlich aus einer anderen Welt, vermutlich aus einer Welt, die hinter der Grenze des Todes liegt, ausgelöst durch Geister und Seelen, die es intakt in die Schar der geschwätzigen Spukgestalten geschafft haben. Und würden diese lebendigen Klopfer etwas ans Licht bringen, das weniger als tröstlich ist, so ist es eine kühne Entscheidung zu sagen, »Ok, trümmer nur, ich bin bereit.« Aber dieses elementare Vertrauen. Mann! es ist nicht zu viel verlangt, von jemandem, der wie ich vierzig ist, oder fast. Viel weniger, als Isaiah Seraph darum zu bitten, ihre Augen vor der furchbaren

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