Der mysterioese Zylinder
wurde jetzt augenscheinlich, daß eine kleine Gruppe von Menschen auf die Ankunft des Inspektors wartete, der schweren Schrittes den Mittelgang hinunterging und sich so vor die links gelegenen Logen stellte, daß er von allen Anwesenden gesehen werden konnte. Panzer und Sampson standen am Ende des Ganges mit Djuna als aufgeregtem Zuschauer an ihrer Seite.
Die Mitglieder der versammelten Gruppe waren auf eigentümliche Weise plaziert worden. Von der ersten Sitzreihe in der Nähe des Inspektors, der ungefähr in der Mitte des Parketts stand, angefangen und dann weiter in Richtung des rückwärtigen Teils des Theaters waren nur die Sitze direkt zum Gang hin besetzt. Auf den jeweils letzten beiden Plätzen in zwölf Reihen war eine bunte Gesellschaft versammelt worden
– Männer und Frauen, alt und jung. Es waren dieselben Leute, die in der Nacht des Mordes die Plätze innegehabt hatten und die Inspektor Queen nach der Entdeckung der Leiche persönlich befragt hatte. Dort, wo Monte Field gesessen hatte, und auf den Plätzen direkt davor und daneben saßen nun William Pusak, Esther Jablow, Madge O’Connell, Jess Lynch und Pfarrer Johnny. Der Pfarrer blickte verstohlen um sich und flüsterte unruhig hinter seinen Nikotinfingern mit der Platzanweiserin.
Auf einen plötzlichen Fingerzeig des Inspektors hin verfielen alle in eine Grabesstille. Sampson, der die hell erleuchteten Lüster und Scheinwerfer, das verlassene Theater und den herabgelassenen Vorhang betrachtete, hatte das unbestimmte Gefühl, daß die Bühne für eine dramatische Enthüllung bereitet war. Er lehnte sich interessiert vor. Panzer und Neilson waren ruhig und aufmerksam. Djuna ließ den alten Mann nicht aus den Augen.
»Meine Damen und Herren«, sagte Queen in schroffem Ton, während er die versammelte Gesellschaft betrachtete, »ich habe Sie aus einem ganz bestimmten Grunde hierherbringen lassen. Ich werde Sie nicht länger als unbedingt nötig aufhalten, aber was nötig ist und was nicht, ist ausschließlich meine Angelegenheit. Wenn ich den Eindruck habe, daß ich nicht das bekomme, was ich für ehrliche Antworten auf meine Fragen halte, werden Sie alle so lange hierbleiben, bis ich mit Ihnen zufrieden bin. Ich möchte, daß Sie sich darüber völlig im klaren sind, bevor wir fortfahren.«
Er machte eine Pause und sah die vor ihm Versammelten durchdringend an. Er bemerkte ein Nachlassen der Aufmerksamkeit, ein kurzes Aufleben der Unterhaltungen, die jedoch schnell wieder zu einem abrupten Ende kamen.
»Am Montag abend«, fuhr der Inspektor mit frostiger Stimme fort, »waren Sie alle bei der Vorstellung in diesem Theater zugegen, und Sie saßen, mit Ausnahme einiger Angestellter und anderer Leute, die sich jetzt weiter hinten befinden, auf denselben Plätzen wie im Augenblick.« Sampson mußte grinsen, als er bemerkte, wie sich bei diesen Worten die Rücken aufrichteten, als würde jeder einzelne fühlen, wie der Sitz unter ihm plötzlich warm und unbequem wurde.
»Ich möchte, daß Sie sich vorstellen, daß wir jetzt Montag abend haben. Ich möchte, daß Sie sich an diesen Abend zurückversetzen und daß Sie versuchen, sich an alles zu erinnern, was geschah. Damit meine ich jede Einzelheit, die sich Ihnen eingeprägt hat, wie banal und anscheinend unbedeutend sie auch erscheinen mag …«
Der Inspektor fing gerade an, in Fahrt zu kommen, als eine Gruppe von Menschen im hinteren Teil des Parketts auftauchte. Sampson begrüßte sie flüsternd. Die kleine Gesellschaft bestand aus Eve Ellis, Hilda Orange, Stephen Barry, James Peale und drei oder vier anderen Mitgliedern des Ensembles von ›Spiel der Waffen‹. Sie hatten ihre eigenen Kleider angelegt. Peale flüsterte Sampson zu, daß sie geradewegs aus ihren Garderoben kamen und den Zuschauerraum betreten hatten, weil von dort Stimmen zu hören waren. »Queen hält eine kleine Versammlung ab«, gab Sampson flüsternd zurück.
»Glauben Sie, der Inspektor hat etwas dagegen, wenn wir ein Weilchen hierbleiben und zuhören?« fragte Barry leise, mit einem aufmerksamen Blick in Richtung des Inspektors, der verstummt war und eisig zu ihnen herüberstarrte.
»Ich weiß nicht, warum –«, setzte Sampson beunruhigt an, als Eve Ellis »Pst!« murmelte und damit alle zum Schweigen brachte.
»Nun –« sagte der Inspektor in giftigem Ton, nachdem die Unruhe sich gelegt hatte, »die Sache sieht so aus. Denken Sie daran, es ist wieder Montag abend. Der Vorhang zum zweiten Akt ist hochgegangen, und das Theater ist
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