Der Nachbar
mich rettete, bevor er alte Zelowski mich vergewaltigen und ermorden konnte...«
Nightingale Health Centre
Fay Baldwin stand etwas abseits am Rand des Gedränges um das Telefon und lauschte Sophies Stimme, die, immer wieder von Franeks wütenden Zwischenrufen unterbrochen, über den Lautsprecher erklang. Sie hörte sich Sophies genauen und detaillierten Bericht der Ereignisse an und danach Harrys kurze Zusammenfassung des psychiatrischen Gutachtens über Milosz Zelowski.
»Er wurde nicht als gefährlich eingestuft«, sagte Harry zum Schluss, »aber irgendein Idiot meinte, es besser zu wissen, und sorgte dafür, dass sich sein Aufenthaltsort in der Siedlung herumsprach. Wir haben gehört, dass ein Junge bereits an Verbrennungen umgekommen ist. Weiß der Himmel, wie viele ihm noch folgen werden.«
Sie hörten alle Sophies Seufzer. »Es war Fay Baldwin«, sagte sie, nicht wissend, dass die Frau zuhörte. »Aber ich habe keine Ahnung, woher sie wusste, wer die Zelowskis waren und dass sie hier lebten.« Wieder ein Seufzen. »Aber es war nicht allein Fays Schuld, Harry. Sie wollte mir sagen, dass ein Pädophiler in der Straße wohnte, aber sie hat dabei dauernd Melanie Patterson beschimpft, sie eine Schlampe genannt, und ich hab das völlig falsch aufgefasst. Ich glaubte, sie wollte Mel und ihre Männer der Kindesmisshandlung beschuldigen, und bin ihr fast ins Gesicht gesprungen. Daraufhin ist sie beleidigt abgezogen und hat Mel erzählt, dass es in ihrer Straße Kinderschänder gäbe, die nur darauf warteten, sich an ihrer kleinen Rosie zu vergreifen. Ich vermute, dass das zum Ausbruch der Unruhen geführt hat. Es ist alles so verrückt... Dauernd sage ich mir, wenn ich dieser dummen Person zugehört hätte, wäre das alles nicht passiert. Wussten Sie, dass Jimmy James im Knast mit Milosz in einer Zelle gesessen hat? Er hätte Mel sagen können, dass er harmlos ist, wenn er nicht durch den angenommenen Namen in die Irre geführt worden wäre.« Sie schwieg.
»Es ist weder Ihre Schuld noch die der Patterson-Frauen«, erklärte Harry mit Entschiedenheit. »Melanie und ihre Mutter wollten nur einen Protestmarsch organisieren. Solche Demos gibt es praktisch jeden Tag, und es bestand überhaupt kein Anlass anzunehmen, dass diese hier sich derartig entwickeln würde. Man kann es niemandem anlasten, dass eine Bande Krawallbrüder den Marsch zum Vorwand genommen haben, um ihren eigenen Krieg gegen die Polizei zu führen – und das Ganze war zu gut geplant, um eine spontane Aktion gewesen zu sein.« Er blickte zu Fay hinüber. »Passiert wäre es so oder so. Der Aufruhr hier ist eine Kopie der gewalttätigen Unruhen, die wir den ganzen letzten Monat in Bradford und Belfast hatten. Wir haben eine Hitzewelle, und die Jugend ist zornig. Das ist eine brisante Mischung.«
Sophie seufzte wieder. »So weit ich von Jimmy James weiß, war Melanie Patterson diejenige, die versucht hat, Gewalt abzuwenden. Sie ist eine klasse Frau – bemüht sich immer, ihr Bestes zu geben, auch wenn es manchmal daneben geht. Jimmy sagte, wir wären bei lebendigem Leib verbrannt, wenn sie die Leute nicht daran gehindert hätte, mit Benzinbomben zu werfen. Er ist schon wieder weg, weil er versuchen will, sie und die Kinder rauszuholen.«
»Ja, das wissen wir«, sagte Harry. »Die Polizisten, die die Videoaufnahmen aus dem Hubschrauber kontrollieren, haben uns ständig auf dem Laufenden gehalten. Daher wussten wir auch, dass Sie bei Mrs Frensham untergekommen waren. Wir werden jetzt jemanden auftreiben, der den alten Zelowski in Schach hält, während Sie sich auf Milosz konzentrieren.«
»O Gott, seien Sie bloß vorsichtig«, rief sie erschrocken. »Wenn bekannt wird, dass die beiden hier sind, werden sie uns hier in diesem Haus genauso belagern wie vorhin in der Humbert Street. Noch mal steh ich das nicht durch, Harry. Wäre es nicht sicherer zu warten, bis Jimmy mit Melanie zurückkommt?«
Harry sah Ken Hewitt an. Der schüttelte den Kopf. »Wir fürchten, dass sie in Schwierigkeiten sind«, gestand er widerstrebend. »Ein Teil der Menge hat vorhin das Haus gestürmt, und Melanie ist in dem Getümmel zu Boden gerissen worden. Im Moment wissen wir nicht mit Sicherheit, was dort vor sich geht.«
»Das ist ja schrecklich! Sie wird das Kind verlieren, Harry.
Warum
haben Sie Jimmy losgeschickt,
mich
rauszuholen. Er hätte
sie
wegbringen sollen. Er ist schließlich der Vater des Kindes, Herrgott noch mal!«
»Wir hoffen, dass ihre Mutter bei ihr ist.
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