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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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zu«, sagte sie mit einer Stimme, die heiser war vor Furcht. »Aber beim ersten Versuch schlag ich Ihnen den Schädel ein, darauf können Sie sich verlassen.«
    Er war unverkennbar in Versuchung. Seine stechenden kleinen Augen glitzerten vor Erregung. Aber er schüttelte den Kopf. »Es gibt Wichtigeres zu tun.«
    Erneut fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Das gefällt mir«, sagte er befriedigt. »Sie haben jetzt große Angst. Sie tun, was Franek Ihnen sagt.«
    »Nicht bevor Sie mir meinen Koffer geben«, schaffte sie zu entgegnen und wies gleichzeitig mit einer ruckartigen Kopfbewegung zum Treppengeländer.
    Sein Blick folgte dem ihren. »Dauernd schreien Sie nach diesem Koffer. Was ist da drin?«
    »Antiseptische Tupfer. Ich muss die Wunde an meinem Arm reinigen.«
    Er war neugierig genug, um den Koffer zu holen, und begann sogleich an den Schlössern herumzufummeln. »Erst helfen Sie Milosz, dann gebe ich Ihnen den Koffer.«
    »Nein.«
    Er runzelte unwillig die Stirn, als wär er Widerspruch nicht gewöhnt. »Tun Sie, was ich sage.«
    »Nein.«
    »Muss ich Ihnen erst weh tun?«
    Sie antwortete mit einem Achselzucken, das ihr halbwegs überzeugend zu wirken schien. »Ich werd's überleben, wenn diese Leute da draußen hier reinkommen. Sie nicht.« Sie sah ihm einen Moment beim Kampf mit den Kofferschlössern zu. »Sie verschwenden Ihre Zeit. Es ist ein Zahlenschloss.«
    Ärgerlich ließ er den Koffer zu Boden fallen. »Sie sind diejenige, die Zeit verschwendet. Mit Ihrer dauernden Nein-Sagerei.«
    »Gehen Sie doch selbst hin und helfen Sie Milosz!« Sophie fragte sich, wie lange ihre Beine sie noch tragen würden. »Schließlich versucht er doch,
Ihren
Hals zu retten.«
    »Sie warten wohl nur auf eine Gelegenheit, hier rauszukommen? Durchs Fenster vielleicht?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Okay. Bleiben Sie hier.« Er ging plötzlich.
    Sophie ließ die Vase wieder auf den Stuhl hinunter und legte ihre zitternde Hand auf seine Rückenlehne. War das eine Falle? War er nur verschwunden, um ihr aufzulauern? Sie versuchte, allen Mut zusammenzuraffen, um hinter ihrer Barrikade hervorzuschießen und den Koffer an sich zu reißen – aber die Furcht schlug sie in Bann. Bestimmt war es klüger, nicht aufzumucken. Hier in dieser Ecke war sie geschützt, sie konnte sich mit dem Cricketschläger verteidigen, wenn er zu nahe kam, ihm mit dem Glas das Gesicht zerschneiden. Es bedurfte einer ungeheuren Willensanstrengung, hinter den Stühlen hervorzukommen. Alle ihre Instinkte rieten ihr davon ab. Besser sich fügen... gehorchen... beschwichtigen... Aber er hatte getan, was sie sich gewünscht hatte – er hatte sie mit dem Koffer allein gelassen –, und die Geräusche des Möbelrückens draußen im Flur machten ihr Mut. Binnen einer halben Sekunde war sie hin und wieder zurück und drehte, hinter den Stühlen kauernd, an den Rädchen der Zahlenschlösser. Schnell – schnell – schnell! Sie riss ihr Handy heraus und drückte den Knopf für die eingespeicherten Nummern. »Jenny«, flüsterte sie, über die Stuhlsitze hinweg zur offenen Tür und zum Flur dahinter blickend. »Ich bin's, Sophie. – Nein, ich kann nicht. Hören Sie mir einfach zu. Ich brauche Hilfe. Rufen Sie die Polizei an. Sagen Sie ihnen, dass ich bei der letzten Adresse bin, die Sie mir gegeben haben. Ja – bei Hollis. Der Mann hält mich hier gewaltsam fest. Draußen ist alles voller Menschen. Es ist verrückt.
Er
ist verrückt. Ich glaube, er hat vor, mich zu vergewaltigen –« Sie brach ab, als sie einen Schatten über das Treppengeländer huschen sah. Hastig schaltete sie das Handy aus für den Fall, dass Jenny versuchen sollte zurückzurufen. Dann warf sie das Telefon in den Koffer, ergriff einen Tupfer, klappte den Deckel zu und verstellte die Zahlenkombinationen der Schlösser. Das Pfefferspray herauszuholen, war ihr keine Zeit geblieben.
    Franek hievte mit vor Anstrengung grauem Gesicht die Ecke eines Eichenschranks durch die Tür. »Was tun Sie da?«, fragte er misstrauisch.
    Sie riss den Tupfer aus der Zellophanverpackung und drückte ihn auf ihren Arm. »Ich versuche, mich vor Ihrem Dreck hier zu schützen.« Sie bemerkte Nicholas am anderen Ende des Schranks. »Sie haben kein Recht, mich hier einzusperren«, sagte sie zu ihm. »Die Leute da draußen haben es nicht auf mich abgesehen. Die meisten von ihnen kennen mich. Ich bin ihre Hausärztin. Es wäre viel vernünftiger, Sie würden mich mit ihnen reden lassen. Wenn Sie mich in

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