Der Nachbar
seine Bedürfnisse stets denen eines anderen unterzuordnen hat.«
»Des Vaters?«
»Das scheint mir beinahe sicher zu sein. Wir haben Fallbeispiele genug, die beweisen, dass missbrauchte kleine Jungen später selbst andere missbrauchen... und meistens wurden sie vom Vater oder Stiefvater missbraucht.« Er schüttelte den Kopf. »Die Art und Weise, wie dieser Mann seine ‘Opfer’ missbraucht, legt nahe, dass er vor dem Sex Angst hat. Und wenn sein Vater ihn das gelehrt hat...« Er wirkte plötzlich sehr alt und müde.
Jenny berührte flüchtig seine Hand, während sie zum wiederholten Male der Ansage von Melanies Mailbox lauschte. »Sophie ist eine starke Frau«, sagte sie. »Sie lässt sich nicht so leicht unterkriegen.« Diesmal hinterließ sie eine dringende Bitte um Rückruf. »Wir müssen diese Leitung von jetzt ab frei lassen«, bemerkte sie. »Nicht, dass Melanie umsonst versucht, hier anzurufen. Damit bleiben uns nur eine offene Leitung hier draußen und die direkten Anschlüsse in den verschiedenen Büros. Ich denke, wir sollten uns verteilen und getrennt arbeiten.« Sie sah Fay an. »Ist Ihnen schon jemand eingefallen? Sie können den Computer in Sophies Zimmer benutzen, um die Nummern festzustellen. Aber den Anruf sollten Sie dann lieber mich machen lassen. Die Polizei will nicht, dass wir zu viel reden und die Situation dadurch womöglich noch verschlimmern.«
»Aber – ich verstehe überhaupt nicht... was für eine
Situation
?«, rief Fay protestierend. »Sie kommandieren mich hier herum, tun Sie dies, tun Sie das – aber wie soll ich etwas tun, wenn ich keine Ahnung habe, was eigentlich los ist?«
»Wir wissen auch nicht mehr, als dass in Bassindale schwere Unruhen ausgebrochen sind. Die Polizei vermutet, dass sich der Zorn der Leute gegen diesen Mann richtet, in dessen Haus Sophie sich befindet, aber niemand weiß, wie seine Identität bekannt geworden ist. Er wurde unter dem Namen Zelowski verurteilt, trug aber den Namen Hollis, als er in Bassindale einzog.«
»Das haben wir vermutlich irgendeinem Kretin mit großem Mundwerk und Spatzenhirn zu verdanken«, erklärte Harry grimmig und ging davon, um in sein Sprechzimmer zurückzukehren. »Solche Leute sollte man einsperren – andere so leichtsinnig in Gefahr zu bringen!«
»Der Meinung bin ich auch«, sagte Jenny gleichermaßen ergrimmt. Sie wandte sich dem Telefon zu, um es noch einmal bei Gaynor Patterson zu versuchen. Ihr fiel auf, dass Fays Gesicht plötzlich brennend rote Flecken bekam, aber sie machte sich weiter keine Gedanken darüber, weil sie diesmal mit ihrem Anruf durchkam.
15
Polizeipräsidium Hampshire
Tyler gab einem seiner Beamten Anweisung, Martin Rogerson ausfindig zu machen und auf dem schnellsten Weg ins Präsidium zu bringen. »Paula Anderson hat ihn zur Pressekonferenz gefahren, setzen Sie sich mit ihr in Verbindung und stellen Sie fest, ob sie noch in der Gegend sind. Ich möchte den Mann vor mir haben, wenn ich mit ihm rede, Paula soll also keine Entschuldigungen akzeptieren. Sagen Sie ihr das. Wenn sie ihn schon nach Bournemouth zurückgebracht hat oder auf der Fahrt dorthin ist, richten Sie ihr aus, sie solle sofort umkehren und ihn wieder herbringen. Ist das klar?«
»Aber sie muss einen Grund angeben können, Chef.«
»Neue Hinweise – sehr vielversprechend diesmal. Ich werde jetzt erst mal zu den Logans rüberfahren und mich mit Laura Biddulph unterhalten.« Er sah auf seine Uhr. »Das heißt, Paula hat ungefähr eine Stunde Spiel. Aber sagen Sie ihr, je eher, desto besser. Es kann Rogerson nicht schaden, eine halbe Stunde im Vernehmungsraum Däumchen zu drehen.« Er winkte den Sergeant zu sich, der Townsends Nachbarin befragt hatte, und sah die Notizen durch, die er sich über die Flugzeiten gemacht hatte. »Fragen Sie mal bei Easyjet nach, ob er da am Freitagmorgen auf der Passagierliste stand. Das wäre der Flug von Palma nach Luton. Und lassen Sie die Leute gleich mal nachsehen, ob sie irgendwas über eine Miss F. Gough haben. Sie ist am Dienstag mit ihm nach Mallorca geflogen, aber sie weiß nicht, ob er die Rückflüge da schon gebucht hatte. Versuchen Sie festzustellen, ob er eine Reservierung hatte und dann auf Freitag umbuchte. Auf die Weise kriegen wir raus, an welchem Tag er ursprünglich zurückfliegen wollte. Wenn sie Glück hat, hat er sie auf derselben Maschine gebucht.«
Der Sergeant fragte neugierig: »Ist das seine neue Freundin?«
»Wenn ich das wüsste. Haben Sie nicht einen Namen oder
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