Der Nachbar
gegebenen eine Vergewaltigung für möglich?«
»Schwer zu sagen. Wenn ich Bob richtig verstanden habe, sitzen sie zusammen mit Zelowskis Vater in einem Haus fest, vor dem eine Menschenmenge randaliert.«
»Richtig.«
»Und die Polizei ist der Auffassung, dass die allgemeine Empörung Milosz gilt?«
»Ja.«
»Das ist natürlich eine hoch brisante Angelegenheit. Sie haben zweifellos alle große Angst – aus unterschiedlichen Gründen –, und Angst ist eine sehr starke Emotion. Was glauben Sie, wie Sophie reagieren wird?«
»Das weiß ich nicht. Sie ist normalerweise sehr besonnen, aber sie kann ganz schön in Rage geraten, wenn ihr etwas nicht passt. So leicht lässt sie sich nicht klein kriegen.«
»Das gleiche hat Bob gesagt.«
»Und – ist das gut oder schlecht?«
»Das kommt darauf an, wie die Zelowskis darauf reagieren.
Der Vater ist eindeutig der Gefährlichere für sie, aber es könnte sein, dass Milosz angesichts ihrer Gegenwehr in sexuelle Erregung gerät, zumal dann, wenn seine Gefühle infolge der Angst vor der Menge draußen bereits in Aufruhr sind. Er hat sehr wenig Erfahrung mit Frauen. Seine Mutter hat die Familie verlassen, als er gerade einmal fünf Jahre alt war, und so weit ich feststellen konnte, war er in der Schule und auf der Musikakademie ein absoluter Einzelgänger. Im Augenblick versuche ich zu verstehen, wieso sein Vater sich überhaupt bei ihm befindet, obwohl ich in meinem Bericht unter anderem dringend empfohlen hatte, Milosz solle alle Beziehungen zu diesem Mann, der ihn zum Opfer gemacht hat, abbrechen. Ich vermute, er hatte allzu große Angst vor dem Alleinleben – das ist bei vielen so – und ließ meine Empfehlung deshalb unbeachtet. Aber von seinem Bewährungshelfer war das verdammt kurzsichtig. Ich will Ihnen sagen, was mir die größte Sorge macht: dass Milosz nichts tun wird, um eine Vergewaltigung zu
verhindern
– im Gegenteil, vielleicht sogar noch kühn mitmachen wird, wenn seine Erregung stark genug ist. Es kommt ganz darauf an, welche Kombination von Reizen notwendig ist, um ihn zu enthemmen.«
»Um Gottes Willen! Was wissen Sie denn über seinen Vater?«
»Nur das, was Milosz mir berichtet hat. Es steht alles in meinen Aufzeichnungen. Ich habe ihn gefragt, warum er bei seiner Verteidigung und seinem Antrag auf mildernde Umstände nicht geltend gemacht hat, dass er von klein auf von seinem Vater misshandelt wurde. Darauf erklärte er mir, das wäre nicht fair gewesen, weil sein Vater sich gar nicht bewusst gewesen sei, etwas Unrechtes zu tun. Wahrscheinlich stimmt das sogar. Er behauptete, sein Vater stamme von polnischen Zigeunern ab und sei in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der der Mann der absolute Alleinherrscher in der Familie ist. Nach allem, was er mir erzählt hat, scheint sein Vater ausgeprägte sadistische Neigungen zu haben. Er hat mit der Peitsche geschlagen. Er erinnert sich, dass er einmal seine Mutter verprügelt hat, weil sie nicht gut genug gekocht hatte... Ich kann mir vorstellen, das es unter diesen Umständen auch beim Sex ziemlich brutal zuging. Ohne Zweifel war Milosz als Kind beträchtlicher Gewalt ausgesetzt, bis er begriff, dass die Masturbation als Mittel zu gebrauchen war, um die Wut seines Vaters abzulenken.«
Harry fühlte sich angeekelt. »Mit fünf Jahren?«
»Ja. Pervers, nicht? Aber wir haben es mit einer sehr niedrigen Intelligenzstufe zu tun. Ein Kind besaß keinen eigenen Wert, der Sohn war einfach dazu da, die sexuelle Lücke zu füllen, die nach dem Verschwinden der Ehefrau entstand. Ein verängstigtes Kind kann man sich leicht zu Willen machen, und so ein Arrangement ist natürlich einfacher, als sich hinauszuwagen und neue Beziehungen zu knüpfen. Nach dem, was ich von Milosz gehört habe – ich habe nur sein Wort dafür –, begann sein Vater nach einer Weile, auf dem Straßenstrich Prostituierte aufzulesen, und unterließ es von da an, seinen Sohn zu missbrauchen. Er wurde mehrmals von der Polizei vernommen, nachdem halb zu Tode geprügelte Frauen ins Krankenhaus eingeliefert worden waren, und jedes Mal musste Milosz ihm ein Alibi geben. Er tat es natürlich, weil es für ihn die einzige Möglichkeit war, selbst dem Missbrauch durch seinen Vater zu entkommen, aber er sagte, es hätte ihn immer sehr bedrückt, weil es ihn daran erinnerte, was seine Mutter hatte ertragen müssen. Bei der Polizei gibt es vielleicht noch Protokolle dieser Vernehmungen. Könnte sich lohnen, mal nachzufragen.«
Harry machte sich
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