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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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nehmen.«
    Er wollte nicht den Zugang zu ihr verlieren. »In Ordnung. Was hat also dieser Anwalt getan?«
    »Er hat Martin brühwarm berichtet, warum ich bei ihm war, und sagte ihm, dass ich offenbar recht gut darüber informiert sei, was er an Vermögen habe und wo er es untergebracht habe. Er hat ihm geraten, sich mit mir auszusöhnen, wenn er nicht riskieren wolle, weit mehr als sein Haus zu verlieren.« Ihre Stimme wurde lauter. »Er hat nicht mich vertreten, sondern meinen Mann. Ich hätte meine Freiheit haben können – mein eigenes Zuhause – und ich hätte mein Kind nach meinem Willen aufziehen können –« Ein Schauder durchrann ihren Körper –»aber das hat nicht etwa mein Anwalt mir gesagt. O nein! Das hat Martin mir gesagt – hinterher –, als er mir unter die Nase rieb, wie blöd ich gewesen war. Er hat es genossen, sag ich Ihnen. Es war ein ganz tolles Gefühl für ihn, es der dummen kleinen Gans heimzahlen zu können, die ihm beinahe entwischt wäre.«
    »Was hat er getan?«
    »Martin, meinen Sie?«
    »Ja.«
    Sie ließ ihre Hände unter den Tisch gleiten. »Er bot mir die Versöhnung an, bevor die Scheidung eingereicht war. Er behauptete, er könne ohne mich nicht leben... sein Verhalten sei eine reine Schockreaktion gewesen. Und ich war so naiv: Ich habe ihm tatsächlich geglaubt. Er sagte, er wolle für sein Kind da sein – und ich war
froh

    Sie konnte ihre Hände nicht lange verborgen halten. Dazu war sie zu lebhaft. Voll zorniger Erregung über ihre Vertrauensseligkeit schlug sie die geballten Fäuste gegeneinander. »Ich habe immer der Schwangerschaft die Schuld gegeben – Sie wissen schon, die Hormone spielen verrückt, und man hat plötzlich ein so dringendes Bedürfnis nach Sicherheit, dass man bereit ist, alles für sie zu tun –, aber jetzt weiß ich, dass es mein Charakter ist. Anstatt der Wahrheit ins Auge zu sehen, mache ich mir lieber etwas vor.«
    Tyler fragte sich, ob er sie falsch eingeschätzt hatte. Er hatte sie für eine intelligente Frau gehalten – ja, berechnend –, die eine gewisse Kontrolle über ihr Leben besaß. Nun aber erschien sie ihm ziellos und getrieben wie ein Blatt im Wind, eine Frau, die darauf wartete, dass die Ereignisse sie verändern würden. Das wäre, dachte er, eine Erklärung für ihre Tirade gegen Gregory Logan und seine Kinder. Sie war entschlossen gewesen, ihren Hass und ihre Frustration auf unbegrenzte Zeit in sich zu verschließen, bis dann Amys Verschwinden eine Konfrontation gestattet hatte.
    »Warum haben Sie die Scheidung nicht weiter verfolgt, als Ihnen klar wurde, dass das Versöhnungsangebot nicht ehrlich gemeint war?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Man versucht es eben weiter und hofft, dass irgendwann alles besser werden wird. Außerdem hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich das Kind mehr liebte als ihn – und er wusste das. Das Gleiche hatte er in seiner ersten Ehe erlebt.«
    »Ist das der Grund, weshalb er keine Kinder mehr wollte?«
    »Ja.«
    »Aber es ist doch eine andere Art von Liebe, oder nicht?«
    »Für jemanden wie Martin nicht. Er muss immer im Mittelpunkt stehen.«
    »Und was tut er, wenn das nicht der Fall ist?«
    »Dann macht er einem das Leben zur Hölle«, antwortete sie kurz.
    Er betrachtete sie einen Moment, während er sich ihrer Worte vom vergangenen Abend erinnerte. »Durch Machtausübung ohne Liebe?«, fragte er.
    »Ja.« Ein Seufzen. »Durch verbale Grausamkeit. Eine Kette von Beleidigungen, die niemals abreißt. Du bist ja blöd... du bist schwer von Begriff... du bist eine einzige Peinlichkeit... Er erzählte Amy immer, wie dumm ich sei, und brachte sie dann irgendwie dazu, eine schlagfertige Bemerkung zu machen, um zu zeigen, dass sie ihm nachschlüge und nicht mir. Nach einer Weile fängt man an, diese Dinge zu glauben«, schloss sie mit einem unglücklichen Achselzucken.
    »Hat Amy sie geglaubt?«
    »Ach, das habe ich ihr nicht übel genommen. Sie wollte einfach die Anerkennung ihres Vaters. Aber manchmal habe ich mir gewünscht, er würde mich schlagen, damit ich beweisen könnte, dass er mich misshandelte... Er hat mir mein ganzes Selbstbewusstsein genommen.«
    »Fühlten Sie sich deshalb zu Eddy Townsend hingezogen? Weil er Ihnen Ihr Selbstbewusstsein wiedergegeben hat?«
    Sie nickte. »Es war so einfach für ihn. Er kam regelmäßig geschäftlich zu uns nach Hause, daher wusste er genau, wie Martin mit mir umsprang.« Wieder ein tonloses Lachen. »Er brauchte nur ein bisschen freundlich zu

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