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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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nicht in einem Boot? Alle drei außer sich vor Angst.
    »Ich höre einen Hubschrauber«, sagte sie, Nicholas' Miene entnehmend, dass auch er ihn hörte. »Glauben Sie, das ist die Polizei?«
    »Es kann nur die Polizei sein.«
    »O Gott, ich hoffe es«, sagte sie mit Inbrunst.
    Er begann, nach Entschuldigungen zu suchen. »Das Leben wäre ein Kinderspiel, wenn wir nie etwas täten, was wir hinterher bereuen müssen. Aber irgendetwas passiert immer – Unfälle – Zufälle – dass man zur falschen Zeit am falschen Ort ist... Deswegen ist man noch lange kein schlechter Mensch – höchstens ein Pechvogel.« Er hob den Blick. »Kennen sie Aesops Fabel über den Skorpion und den Frosch?«
    Sophie schüttelte den Kopf.
    »Der Skorpion möchte gern einen Fluss überqueren, aber er kann nicht schwimmen, darum bittet er den Frosch, ihn hinüberzubringen. Der Frosch lehnt erst ab, weil er fürchtet, dass der Skorpion ihn stechen wird. Da lacht der Skorpion und sagt, er sei doch nicht dumm. ‘Wenn ich dich steche, stirbst du’, sagt er zum Frosch, ‘und das heißt, dass auch ich sterben werde, weil ich nicht schwimmen kann.’ Von diesem Argument lässt der Frosch sich überzeugen und nimmt den Skorpion mit. Aber in der Mitte des Flusses sticht der Skorpion ihn plötzlich doch. ‘Warum hast du das getan?’, fragt der sterbende Frosch. ‘Ich konnte nicht anders’, antwortet der Skorpion. ‘Es ist meine Natur.’« Nichols berührte den Kopf seines Vaters. »Bemerkungen über meine Mutter machen ihn immer wütend«, setzte er hinzu. »Wenn Sie getan hätten, worum ich Sie gebeten hatte, und still geblieben wären, hätte er Sie nicht geschlagen.«
    »Sie meinen, wenn ich mich unterworfen hätte – wie Sie?« Sie lächelte sarkastisch. »Das ist leider nicht meine Natur.«
    »Es ist aber einfacher.«
    »Sie sind noch schlimmer als er«, erklärte sie. »Er ist brutal – primitiv – ekelhaft... aber Sie –« Sie schüttelte ungläubig den Kopf –»Sie lassen es zu! Was sind Sie nur für ein Mensch?«
    Er antwortete mit einem kleinen Achselzucken, jegliche Schuld von sich weisend. »Ich habe versucht, Sie zu warnen!«
    »Wie denn?« Sie hob die Finger an ihre Wange und betastete das geschwollene Fleisch. Es tat bis zum Knochen hinunter weh, und sie fragte sich, ob der vielleicht gebrochen war. »So weit ich mich erinnere, haben Sie mir lediglich geraten, den Mund zu halten – zu tun, was von mir verlangt wird – und Ihren Vater in dem Glauben zu lassen, er könnte mit mir nach Belieben umspringen.«
    »Das ist doch das Gleiche.«
    Sie blickte ihm forschend ins Gesicht, auf der Suche nach irgendeinem noch so kleinen Anzeichen dafür, dass er nicht glaubte, was er soeben gesagt hatte. Aber sie entdeckte nichts. In seinen Augen trug offenbar alle Verantwortung das Opfer. Der Täter keine.
    »Er hätte nicht zugeschlagen, wenn Sie ihn nicht gereizt hätten«, ergänzte er, wie zur Bestätigung ihrer Vermutung.
    Sophie packte den Cricketschläger fester. »Warum haben Sie nicht
ihn
gewarnt? Warum haben Sie ihm nicht gesagt, dass Sie ihn fertig machen, wenn er mich noch einmal anrührt?«
    Er krümmte spielerisch die Finger seiner rechten Hand und sah sich mit einer seltsam anmutenden Faszination dabei zu. »Das hätte ihn von nichts abgehalten.«
    »Wieso nicht?«
    »Er hat keine Angst vor mir.«
    Sophie stand starr vor Entsetzen und beobachtete, wie der Sohn den Vater beschwichtigte, indem er dessen fleischige Brüste streichelte. Hätte sie in diesem Moment etwas sagen wollen, sie hätte kein Wort über die Lippen gebracht.
Nightingale Health Centre
    Fünf Minuten nachdem Bob Scudamore mitgeteilt hatte, er sitze in seinem Wagen und hoffe, in spätestens anderthalb Stunden da zu sein, ging auf Harry Bonfields direkter Leitung der Anruf ein, den Bob mit den Worten angekündigt hatte: »In den nächsten Minuten wird ein Dr. Gerald Chandler sich bei Ihnen melden – ein guter Mann – arbeitet eng mit meinem zukünftigen Chef in Southampton zusammen.«
    »Ich sitze auf der Isle of Wight, und es ist Urlaubszeit«, sagte Chandler mit Bedauern. »Selbst wenn ich es schaffen sollte, auf einer der Autofähren einen Platz zu ergattern, kann ich nicht früher bei Ihnen sein als Bob. Ich habe mit allen drei Gefängnissen hier zu tun, aber in erster Linie arbeite ich mit Sexualstraftätern in Albany.« Er schwieg einen Moment, wohl um sich zu sammeln.
    »An Milosz Zelowski erinnere ich mich gut. Ich mochte den Mann. Er ist ein

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