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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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angerichtet hast. Am Besten gebt ihr mir gleich alle eure Namen und Adressen. Jemand muss ja für die eingerissenen Zäune blechen, und bestimmt nicht die Leute, die hier wohnen.«
    Sie gaben Fersengeld und rannten zum Ausgang.
    Er tippte dem alten Mann auf den Arm. »Kommen Sie hier zurecht, Meister? Ich muss schauen, dass ich mich irgendwie nach vorn durchschlage. Meine Freundin und ihre zwei kleinen Kinder sind da irgendwo mitten in der Kampfzone, und ich will sie rausholen.«
    »Aber durch Dolly Carthews Haus können Sie nicht gehen«, warnte der alte Soldat. »Der Verkehr fließt in die falsche Richtung.« Er war ein eingefleischter alter Rassist mit dezidierten Ansichten über die Besudelung seines angelsächsischen Erbes und fasste den jungen Schwarzen misstrauisch ins Auge. »Sieht aus wie Blut, was Sie da auf der Jacke haben.«
    »Das
ist
Blut.« Jimmy vermerkte die Skepsis. »Es gibt Verletzte, und die Sanitäter kommen nicht durch. Kennen Sie Ellen Hinkley? Glebe Tower – war früher mal Krankenschwester – gehört zu diesem Verein, ‘Hallo Freundschaft’? Sie hat ihre Wohnung als Erste-Hilfe-Basis zur Verfügung gestellt.«
    Er hatte offensichtlich das Zauberwort gesprochen – das ‘Sesam öffne dich’–, denn der alte Militär nickte beinahe freundschaftlich. »Ich würde Sie ja durch mein Haus gehen lassen, wenn ich in der Humbert Street wohnen würde, aber ich wohne da drüben in der Bassett.« Er wies mit einer Kopfbewegung zu dem Garten, der an den von trampelnden Füßen völlig verwüsteten von Mrs Carthew grenzte. »Aber lassen Sie mich mal mit der jungen Karen aus Nummer fünf reden. Die würde Ihnen nicht aufmachen, wenn sie klopfen, aber mir vertraut sie.« Er zog die buschigen Brauen zu einer strengen Linie zusammen. »Aber Sie müssen versprechen, dass Sie keine Rowdys ins Haus lassen, wenn Sie vorn rausgehen. Sie ist behindert... Wir können nicht riskieren, dass sie von irgendwelchen groben Kerlen umgerissen wird.«
    Jimmy nickte. »Ich verstehe.«
    Der alte Mann reichte ihm seine Machete. »Bleiben Sie hier. Ich werd mal sehen, was ich tun kann.«
    Jimmy lehnte die Waffe an einen Zaunpfahl und zog sein Handy heraus, in der Hoffnung, dass die Batterie Zeit gehabt hatte, sich ein wenig zu erholen. Seiner Schätzung nach war es mindestens eine Stunde her, dass er sich von Ellen Hinkley getrennt hatte, aber als er auf seine Uhr sah, stellte er verblüfft fest, dass mit knapper Not eine halbe Stunde vergangen war. Das Telefon tat keinen Muckser. Er steckte es wieder ein und überlegte, was zu tun war.
    Er hatte keine Zeit gehabt, sich einen Plan zurechtzulegen, aber nach den Entsetzensmienen der Menschen zu urteilen, die aus Mrs Carthews Haus in die Gärten flohen, war in der Humbert Street die Hölle los, und es war vermutlich das Vernünftigste, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Wie schwierig würde es sein, Melanie und die Kinder da herauszuholen? Und Gaynor – was war mit ihr? Wenn es stimmte, dass sie an der Tür zu Mrs Carthews Haus den Verkehr regelte, konnten er und Mel sie nicht einfach im Stich lassen und davonlaufen.
    Das Einfachste wäre es, wenn sie alle sich irgendwie zu den Gärten durchschlagen und dort treffen könnten. Sie könnten dann gemeinsam versuchen, Gaynors Haus zu erreichen, und dort unterschlüpfen, bis die Krawalle aufhörten. Aber es gab keinen Hinterausgang aus Melanies Maisonette, es sei denn, er durchbrach die Regipswand zum Wohnzimmer der alten Howard – und diese böse alte Hexe würde ihn da wahrscheinlich schon mit dem Fleischermesser erwarten...
    Eine Frau mit einem kleinen Kind im Arm fiel vor seinen Füßen stolpernd ins Gras. Das totenbleiche Gesicht war tränenüberströmt. »Ich hab Anna verloren, mein kleine Anna«, stammelte sie noch, dann verdrehten sich ihre Augen, und sie kippte seitlich um, das kleine Kind unter sich begrabend.
    Er zog das Kind unter ihr hervor und wiegte es in den Armen, während er nach einem kleinen Mädchen Ausschau hielt. »Anna!«, rief er laut. »Deine Mama ist hier! An-na! An-nn-na!«
    Er wollte überhaupt nicht hier sein... er hatte vorgehabt, Melanie zu holen und dann einen neuen Startversuch zu machen... er sollte längst mit Ware auf dem Weg nach London sein. Wer hatte ihn zum Hüter seiner Brüder auserkoren?
    »An-na! Ich suche ein kleines Mädchen, das Anna heißt. Hat irgendjemand sie gesehen?«
    »Hier!«, rief ein Junge mit tränennassem Gesicht, der ein schmutzstarrendes kleines Mädchen

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