Der Nachbar
Schwester und wusste, dass die Flammen zuerst die Tür niederbrennen mussten, ehe sie Teppiche, Holzverschalungen und Möbel im Inneren des Hauses erfassen konnten, aber er wusste nicht, wie er verhindern sollte, dass es so weit kam.
Er verstand nicht, wieso die perversen Kerle im Haus nicht etwas unternahmen. Merkten sie denn nicht, was los war? Sie mussten doch den Brandgeruch wahrnehmen. Er an ihrer Stelle, würde kübelweise Wasser durch den Briefkastenschlitz schütten, solange das möglich war. Denen musste doch klar sein, dass die paar Leutchen, die sich da vor dem Haus aufgepflanzt hatten, die Tür nicht bis in alle Ewigkeit verteidigen konnten.
Eine Schlangenbrut giftiger Gedanken regte sich. Waren die Kinderschänder überhaupt noch im Haus? Vielleicht hatten sie sich klammheimlich durch die Hintertür davongemacht. Vielleicht bewachten er und Mel ein Haus, das leer war.
»Ich geh da jetzt rein – durchs Fenster – und lösch das Feuer von innen«, schrie er Melanie ins Ohr. »Aber du musst schauen, dass die Mauer hier vor dem Haus hält, solange ich drin bin. Ich hab nämlich keinen Bock drauf, dass Wesley mir eine Bombe hinterherschmeißt. Verstehst du?«
Vielleicht waren ihr ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen, sie nickte jedenfalls ohne zu zögern. Ihre nackten Arme und Schultern glühten rot von der Hitze, und sie sagte nur: »Okay, aber mach schnell, ja?«
Er lief zum Haus. Vor dem Fenster angekommen, zog er einen Schuh aus und schlug mit ihm die restlichen Glassplitter aus dem Rahmen. Ein Schauder der Neugier durchlief die Menge, als er sich über den Fenstersims ins Haus schwang. Was hatte der Junge vor? Wollte er etwa diese Perversen schützen, indem er sich an ihre Seite stellte? Oder wollte er sie irgendwie zur Aufgabe zwingen?
Wesley Barber brüllte: »Hey, Schlampe, damit du's weißt, dein Bruder wird gegrillt, wenn er nicht mit den Kinderschändern wieder rauskommt.«
Melanie schluckte, um ihren trockenen Mund zu befeuchten. »
Du
wirst gegrillt, Wesley, wenn Col was passiert. Ich schütt dir eigenhändig den Sprit drüber und zünd dich an.«
Im Haus Humbert Street 23
Colin, der als Einbrecher nicht gerade ein Waisenknabe war, musste sich am Türpfosten anlehnen, als er um die Ecke in den Korridor spähte. So fürchterlich wie ihm die Knie schlotterten, meinte er, es würde ihn jeden Moment auf den Hintern setzen. Mit dem Vorschlaghammer eine Hintertür einzuschlagen, wenn man wusste, dass die Hausbesitzer nicht daheim waren, war eine Sache; aber sich zu zwei pädophilen Schweinen in die Bude zu wagen, wenn man ziemlich sicher war, dass die nur auf einen warteten, das war was ganz anderes. Er hatte sich überhaupt nicht überlegt, was er tat. Angenommen, die nahmen ihn jetzt gefangen und hielten ihn als Geisel fest? Angenommen, sie trieben es mit ihm?
O Scheiße!
Er lauschte angestrengt in dem Bemühen, Stimmen oder Geräusche im Haus auszumachen, aber es war unmöglich, den Lärm von draußen auszublenden. Die Kerle mussten doch den Gestank der brennenden Tür riechen! Wo zur Hölle waren sie? Er schlich an der Tür des unteren hinteren Zimmers vorbei und blieb stehen, um wieder zu lauschen, als er bemerkte, dass sie nicht ganz geschlossen war. Doch wenn sich da drinnen jemand aufhielt, so verriet er seine Anwesenheit durch nichts. Ein schneller Blick die Treppe hinauf zeigte Colin, dass dort oben niemand auf ihn lauerte, aber zu genaueren Erkundungen war er dennoch nicht bereit. Er hatte den Kopf voller Kinobilder von eingesargten Vampiren.
Die Küchentür war angelehnt. Auf Zehenspitzen näherte er sich. Durch den Spalt konnte er den Teil einer Tischkante erkennen und vermutete richtig, dass man den Tisch zunächst zur Sicherheit vor die Tür geschoben hatte, dann aber aus irgendeinem Grund beschlossen hatte, sie doch wieder zu öffnen. Warum? Weil sie immer noch drinnen waren und wissen wollten, was lief? Oder weil sie nicht mehr drinnen waren?
Und wenn nicht... dann bedeutete die offene Tür, dass er die Kerle irgendwo im Rücken hatte...
Er fuhr herum. Sein Herz machte einen Satz wie eine Ratte, die in die Falle tritt. Er wäre auf- und davongelaufen, hätte er nicht Rauch durch den Briefkastenschlitz quellen sehen. Wenn er nicht schnellstens etwas unternahm, würden Wesley und seine Bande das Haus abfackeln, sobald Mel die Stellung vor der Tür nicht mehr halten konnte. Angst vor den Perversen stritt in ihm mit Angst vor dem Feuer, und er stand wie erstarrt
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