Der Nachbar
genau wie Mrs Carthew, ihre Türen zu öffnen. Leider hat Mrs Carthew nur eine sehr vage Erinnerung an die Namen und –«
Jimmy unterbrach sie. »Wie heißt diese Organisation?«
»‘Hallo Freundschaft’«.
»Okay. Davon hab ich schon gehört. Von einer Frau im Glebe Tower. Sie heißt Eileen Hinkley und wohnt in Wohnung vierhundertsechs. Sie gehört zu den Leuten, die alle Nummern haben. Wenn sie nicht im Telefonbuch steht, weiß der Rettungsdienst, wie sie zu erreichen ist. Sie kann Ihnen helfen.«
Es trat eine kurze Gesprächspause ein, während der Jenny die Information an irgendeine Person im Hintergrund weitergab. »Das ist ja großartig«, sagte sie dann beglückt. »Einer unserer Mitarbeiter ruft die Frau jetzt an. Tausend Dank.«
»Ist das alles?«, fragte Jimmy, erstaunt, so billig davonzukommen. »Ich würd nämlich verdammt gern losgehen und schauen, was mit Mel und den Kindern ist.«
»Nein! Noch nicht!«, rief Jenny, die fürchtete, er würde sie wieder an Mrs Carthew zurückreichen. »Bitte bleiben Sie dran. Wir brauchen unbedingt Hilfe.« Ihre Stimme schwoll an. »Irgendjemand muss da draußen die Führung übernehmen – die Leute zur Besinnung bringen. Wir brauchen Ordner an den Ausgängen. Wir brauchen – sind Sie noch da?«
»Ja.«
Er hörte den Polizisten vom Lautsprecher abgewandt murmeln: »Sie müssen sich überlegen, wie viel Sie ihm sagen wollen – es könnte passieren, dass sie ums Leben kommt, wenn sie beschließen, das Haus zu stürmen.«
»Wovon redet er?«, fragt Jimmy scharf. »Wer ist ‘sie’? Wer könnte ums Leben kommen?«
»Bitte warten Sie, Jimmy.« Jenny legte ihre Hand über den Lautsprecher, um ihn abzuschirmen, aber sie war ihm so nahe, dass das Gerät dennoch die hohen, stark erregten Töne ihrer Stimme auffing und weitertrug. Von dem, was der Polizist sagte, war nicht ein Wort zu vernehmen.
»Das ist doch Wahnsinn... irgendjemandem müssen wir vertrauen... Ja, aber die Polizei tut ja nichts... Ach, Herrgott noch mal!... Selbstverständlich fühlt sie sich sicherer, wenn wir ihr eine Nachricht zukommen lassen können... das ginge doch jedem so... Nein, seine Vorstrafen sind mir völlig schnuppe... Wenn Gaynor mit ihm einverstanden ist, bin ich das auch...«
Ihre Stimme kehrte so überraschend und so kräftig zurück, dass Jimmy den Hörer von seinem Ohr wegriss. »Kann ich mich auf Sie verlassen? Gaynor scheint Ihnen ja rückhaltlos zu vertrauen. Sie sagte immer wieder, ‘Wenn nur Jimmy hier wäre.’«
»Sie brauchen nicht zu schreien, Lady. Der Apparat ist auf volle Lautstärke gestellt, ich schätze also mal, Mrs Carthew ist halb taub –« er bemerkte, dass die alte Frau ihn beobachtete –»und außerdem fehlt's im Oberstübchen, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er hielt einen Moment inne. »Sie müssen mir schon verraten, was Sie von mir wollen, bevor ich Ihnen sage, ob Sie sich auf mich verlassen können. Auf keinen Fall tu ich irgendwas, was mich wieder in den Knast bringt.«
Jenny rang fürchterlich mit sich. »Tut mir Leid. Wir stehen hier alle unter einem unheimlichen Druck. Ich brauche Ihre Zusicherung, dass Sie das, was ich Ihnen sage, absolut für sich behalten und mit keinem darüber sprechen – auch nicht mit Melanie oder Gaynor. Ken fürchtet, dass die Leute durchdrehen und das Haus angreifen, wenn etwas durchsickert – und das würde die Situation noch gefährlicher machen. Offenbar hat sich ein Jugendlicher bereits mit einer Benzinbombe selbst angezündet, und aus dem Polizeihubschrauber melden sie, dass sich weitere junge Leute sammeln. Ihrer Meinung nach ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann das Haus in die Luft fliegt... und mit ihm alle, die drinnen sind – einschließlich Sophie.«
Jimmy versuchte aus dem Gehörten klug zu werden, indem er es mit dem verknüpfte, was er bereits wusste. »Ich dachte, das kleine Mädchen heißt Amy.«
Perplexes Schweigen. Dann: »Nein, nein. Ich spreche von Sophie Morrison.« Er hörte wieder Ken Hewitts Gemurmel im Hintergrund. »Mit dem verschwundenen Kind hat das nichts zu tun, Jimmy. Sophie ist eine unserer Ärztinnen. Sie ist der Grund für unsere Bemühungen. Sie hat mich vor einiger Zeit angerufen und gesagt, die Männer im Haus Nummer 23 hielten sie gewaltsam fest. Sie schien große Angst zu haben – sprach davon, dass sie –« Jennifer hielt inne, als suchte sie nach dem rechten Wort –»dass sie
angegriffen
worden sei und schaltete dann ihr Handy aus.«
»Ist das die
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