Der Nacht ergeben
Phiolen in Pulverform und ein paar als Flüssigkeit. Aber sie war überzeugt gewesen, dass sie die Medizin nicht ohne einen Kampf, den sie mit Sicherheit verloren hätte, Myrnin in den Mund hätte schieben können. Wenn Myrnin seine Phasen hatte, würde man mindestens ein paar Finger verlieren, wenn man auch nur in die Nähe seines Mundes gelangte.
Aber das war im Moment wohl kein Thema, vermutete sie. Sie gab die Phiolen Oliver, der sie nachdenklich in seinen Fingern hin und her drehte und das Pulver dann zurückgab. »Die Flüssigkeit wird vom Körper schneller aufgenommen, nehme ich an.«
»Ja.« Darüber hinaus hatte es ein paar unberechenbare Nebeneffekte, aber das war jetzt vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen.
»Und Amelie?« Oliver drehte die Flasche weiterhin in den Fingern.
»Sie ist... wir mussten sie zurücklassen. Sie kämpfte mit Bishop. Ich weiß nicht, wo sie jetzt ist.«
Tiefes Schweigen erfüllte den Raum und Claire sah, dass sich die Vampire alle gegenseitig anschauten - außer Oliver, der weiterhin mit völlig unbewegter Miene auf Myrnin hinunterschaute. »Na schön, dann. Helen, Karl, bewacht Fenster und Türen. Ich bezweifle, dass Bishops Patrouillen versuchen werden, das Cafe zu stürmen, aber vielleicht versuchen sie es doch, wenn ich abgelenkt bin. Der Rest von euch« - er schaute die Menschen an und schüttelte den Kopf - »versucht, nicht im Weg herumzustehen.«
Mit dem Daumen öffnete er die Phiole mit der klaren Flüssigkeit und hielt sie in seiner rechten Hand. »Macht euch bereit, ihn auf den Rücken zu drehen«. sagte er zu Hannah und Claire. Claire nahm Myrnin an der Schulter, Hannah packte seine Füße.
Oliver nahm den Pfahl in die linke Hand und zog ihn mit einer einzigen glatten Bewegung heraus. Klappernd fiel er zu Boden und Oliver nickte knapp. »Jetzt.«
Als Myrnin auf dem Rücken lag, gab Oliver Claire ein Zeichen wegzugehen. Dann öffnete er Myrnins blutleere Lippen. Er schüttete die Flüssigkeit in den Mund des Vampirs, drückte ihn zu und legte die Hand auf seine hohe Stirn.
Myrnins dunkle Augen waren offen. Weit offen. Claire schauderte, denn sie sahen vollkommen tot aus - wie Fenster zu einem sehr, sehr dunklen Zimmer... und dann blinzelte er.
Er holte ganz tief Luft und sein Rücken wölbte sich in stummem Schmerz nach oben. Oliver ließ seine Hand ununterbrochen auf Myrnins Stirn. Seine Augen waren vor Konzentration zusammengepresst und Myrnin krümmte sich schwach und versuchte ohne großen Erfolg, sich zu befreien. Schlaff fiel er in die Kissen zurück, die Brust hob und senkte sich. Seine Haut sah noch immer wie polierter Marmor mit blauen Venen aus, aber seine Augen waren wieder lebendig.
Und wahnsinnig. Und hungrig.
Er schluckte, hustete, schluckte wieder und allmählich erlosch das irrsinnige Licht in seinen Augen. Er sah müde aus, verwirrt und so, als hätte er Schmerzen.
Oliver stieß einen langen, klagenden Seufzer aus und versuchte aufzustehen. Er konnte nicht. Er schaffte es gerade mal halb hoch, als er taumelte und auf die Knie zurückfiel. Mit der Hand stützte er sich auf die Armlehne des Sofas. Sein Kopf fiel nach unten und seine Schultern hoben und senkten sich, fast so als würde er keuchen oder weinen. Claire konnte sich bei Oliver - Oliver - beides nicht richtig vorstellen.
Keiner rührte sich. Niemand berührte ihn, aber einige der anderen Vampire tauschten Blicke aus. Ihre Mienen waren undurchdringlich.
Er ist krank , dachte Claire. Es war die Krankheit. Es wurde immer schwieriger für die Vampire, sich zu konzentrieren, die Dinge zu tun, die sie immer als selbstverständlich erachtet hatten, zum Beispiel weitere Vampire machen. Oder sie wiederbeleben. Sogar Oliver, der kein Wort geglaubt hatte, was die Krankheit anging... sogar er begann zu versagen.
Und das wusste er.
»Hilf mir auf«, flüsterte Oliver schließlich. Seine Stimme klang müde und mitgenommen. Claire griff nach seinem Arm und half ihm langsam hoch; er hatte Schmerzen und bewegte sich, als wäre er tausend Jahre alt und würde jedes einzelne Jahr davon spüren. Einer der anderen Vampire stellte ihm schweigend einen Stuhl hin und Claire half ihm, sich zu setzen.
Oliver stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel und verbarg sein bleiches Gesicht in den Händen. Als er wieder anfing zu sprechen, sagte er leise: »Geh weg.«
Es schien keine gute Idee, einen Streit anzufangen. Claire trat zurück und kehrte zum Sofa zurück, auf dem
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