Der Nacht ergeben
wartete einfach ab. Und einen Augenblick später nickte er. »Na schön«, sagte er. »Du hast richtig gehandelt. Du hattest mit vielem recht, das ich mir nicht eingestehen wollte, einschließlich der Tatsache, dass sich einige von uns« - er schaute sich schnell um und sprach so leise weiter, dass sie die Worte nur von seinen Lippen ablesen konnte - »unwohl fühlen.«
Unwohl. Ja, so konnte man es auch nennen. Sie widerstand dem Reflex, mit den Augen zu rollen. Wie wäre es mit todkrank? Hatte er je den Begriff Pandemie gehört?
Oliver fuhr fort, ohne ihre Antwort abzuwarten. »Myrnins Verstand war... sehr verwirrt«, sagte er. »Ich dachte schon, ich könnte ihn nicht mehr zurückholen. Ohne die Dosis von dieser Medizin hätte ich es auch nicht geschafft.«
»Heißt das, Sie glauben uns jetzt?« Sie meinte damit die Vampirkrankheit, aber sie konnte es nicht laut sagen. Selbst ihre Art und Weise, um den heißen Brei herum zu reden, war gefährlich; zu viele Vampirohren und zu wenig zu tun, und wenn sie von der Krankheit wüssten, konnte niemand vorhersagen, was sie tun würden. Davonlaufen wahrscheinlich. Einen Amoklauf durch die Welt der Menschen starten, krank werden und einsam und sehr langsam zugrunde gehen. Es würde Jahre dauern, vielleicht Jahrzehnte, aber letztendlich würden sie alle sterben, einer nach dem anderen. Bei Oliver war die Krankheit weit weniger fortgeschritten als bei vielen anderen, aber je älter man war, desto langsamer war der Krankheitsverlauf; vielleicht würde er noch sehr lange leben und sich langsam, aber sicher, selbst verlieren.
Alles, was von ihm übrig bleiben würde, wäre eine hungrige Hülle.
Oliver sagte: »Es heißt, was es heißt.« Er sagte das mit einem Anflug von Ungeduld, aber Claire fragte sich, ob er es wirklich wusste. »Ich spreche von Myrnin. Deine Medizin wird nicht reichen, ihn lange ruhig zu halten, und das bedeutet, dass wir Vorkehrungen treffen müssen.«
Eve tauchte hinter dem Vorhang auf. Sie hatte eine Blutpackung aus Plastik bei sich, die mit dunklem Kirschsaft gefüllt war. Jedenfalls versuchte Claire, sich das einzureden. Dunkler Kirschsaft. Eve sah erschüttert aus und ließ die Tüte wie eine tote Ratte vor Oliver auf die Theke fallen. »Du hast das geplant«, sagte sie. »Du hast dich auf eine Belagerung eingestellt.«
Oliver lächelte träge. »Hab ich das?«
»Du hast genug Blut da drin, um die Hälfte der Vampire der Stadt einen Monat lang zu ernähren, und genug von diesen Aufwärmgerichten für Camper, um den Rest von uns sogar noch länger durchzufüttern. Und Medikamente. So ziemlich alles, was wir brauchen, um es hier auszuhalten, einschließlich Generatoren. Batterien, Wasserflaschen...«
»Sagen wir mal, ich bin vorsichtig«, sagte er. »Das ist ein Charakterzug, den viele von uns auf unseren Reisen entwickelt haben.«
Er nahm die Bluttüte und deutete auf die Tassen; als Eve eine vor ihn hinstellte, machte er mit dem Fingernagel ein ordentliches kleines Loch in die Tüte und drückte einen Teil des Inhalts in die Tasse. »Bewahr den Rest auf«, sagte er und gab die Tüte Eve zurück, die aussah, als wäre ihr noch mulmiger als zuvor. »Schau nicht so angewidert. Blut in Tüten bedeutet immerhin, dass es nicht gegen euren Willen aus euren Adern entnommen wurde.«
Eve hielt es auf Armeslänge von sich entfernt, öffnete den kleineren Kühlschrank hinter der Bar und stellte es auf einen freien Platz in der Tür. »Bäh«, sagte sie. »Warum stehe ich eigentlich wieder hinter der Bar?«
»Weil du die Schürze angezogen hast.«
»Oh, da fährst du doch voll drauf ab, oder?«
»Leute«, sagte Claire und zog damit die Blicke von beiden auf sich. »Myrnin. Wohin mit ihm?«
Bevor Oliver antworten konnte, hatte sich Myrnin durch die Menge im Sitzbereich des Common Grounds geschoben und kam auf sie zu. Er schien wieder normal, zumindest so normal, wie Myrnin überhaupt sein konnte. Er hatte einen langen schwarzen Samtmantel erbettelt, ausgeliehen oder einfach gestohlen, unter dem er noch immer die tuntenhafte weiße Pierrot-Hose von seinem Kostüm trug; dazu dunkle Stiefel und kein Hemd. Seine langen schwarzen Haare glänzten und seine Augen schimmerten dekadent.
Oliver schaute sich sein Outfit an und zog eine Augenbraue hoch. »Du siehst aus, als wärst du aus einem viktorianischen Bordell ausgebrochen«, sagte er. »Einem... Spezialbordell.«
Als Antwort darauf krempelte Myrnin die Ärmel seines Mantels hoch. Die Wunde auf seinem
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