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Der Nachtschwärmer

Der Nachtschwärmer

Titel: Der Nachtschwärmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ihrer Nähe gemerkt. Jetzt brauchte ich nur den rechten Arm auszustrecken, um ihn zu umfassen.
    Er diente mir als Landehilfe, und ich zog mich hoch, hielt mich fest und riskierte es, den Nachen mit einem langen Schritt zu verlassen. Das klappte auch, aber unser flaches Boot geriet dabei in heftige Schwankungen, so dass Bill Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
    Ich stand inzwischen auf festem Boden, das heißt, besonders hart war er nicht. Meine Füße bohrten sich schon in den weichen Schlick, der vom Gras nur unbedeutend überdeckt wurde.
    Bill gelangte auch an Land, und ich kümmerte mich um den Nachen. Ich zog ihn so weit aufs Trockene, dass er sich von allein nicht mehr lösen konnte.
    »Das haben wir.«
    Bill warf die Stange zurück. Er nahm auch seinen Stock nicht mit. Beide blieben im Nachen liegen.
    »Und jetzt bin ich gespannt«, sagte ich.
    Bill nickte. »Ich auch.«
    Zu sehen war nichts und zu hören auch nichts. Zumindest keine Trittgeräusche oder fremde Stimmen. Es blieb alles normal still, abgesehen von den Geräuschen, die wir schon kannten. Nur einige Vögel schreckten wir auf. Sie huschten aus einem dichten Busch hoch und flogen dem grauen Himmel entgegen.
    Nach wie vor drückte die Luft schwer wie Blei. Sie nahm immer mehr an Feuchtigkeit zu, so dass sich lange Dunststreifen hatten bilden können. Der Dunst zog träge über das Wasser hinweg, und wenn es Laute gab, würde er sie ersticken.
    Ich ging einige Schritte vor, aber am Wasser entlang. Den Beweis hatte ich nicht bekommen, doch ich ging schon jetzt davon aus, dass wir das Ende des Sumpfgebietes noch nicht erreicht hatten, sondern auf einer Insel gelandet waren. Der Dunst hatte uns noch nicht erreicht. Er verteilte sich auf andere Regionen, aber die verdammten Insekten sanken immer tiefer, und sie sahen uns als ihre perfekte Beute an, denn immer wieder prallten sie gegen unsere Gesichter. Ich konnte gar nicht zählen, wie oft ich schon gestochen worden war und hatte es auch aufgegeben, nach ihnen zu schlagen.
    Wo war die Frau?
    Die Frage stellte auch Bill halblaut und gab sich gleich die Antwort. »Ich denke nicht, dass wir sie hier am Rand finden werden, John. Wir müssen schon das Eiland hier durchsuchen.«
    »Dagegen habe ich nichts. Wichtig ist nur, dass uns niemand den Nachen klaut.«
    »Den stoße ich dann in ein Sumpfloch.«
    »Falls du dazu noch kommst.«
    »Warte es ab.«
    Wir warteten nicht mehr, sondern machten uns auf den Weg, die Insel zu erforschen.
    Sie war auch nicht flach. Es gab unterschiedlich hohe Stellen, und sie waren auch verschieden hoch bewachsen. Am wenigsten von Bäumen. Und wenn, dann gehörten sie zu den Niederhölzern, die auch schon abgestorben aussahen und an ihren Ästen nur noch wenige Blätter aufwiesen.
    An ihnen gingen wir vorbei, kämpften uns durch das hohe Gras, schoben die Zweige irgendwelcher Büsche zur Seite und suchten nach einem Hinweis, der uns weiterführte.
    Die Frauengestalt hatten wir uns beide nicht eingebildet, es gab sie, und wir konnten uns auch nicht vorstellen, dass sie an der anderen Seite der Insel verschwunden war. Auch wenn sie als Lockvogel eingesetzt worden war, sie musste noch hier sein.
    Bill hielt mich fest.
    »Was...«
    »Da ist sie!«
    Ich hatte leider in die falsche Richtung geschaut, und so war es Bill gelungen, sie zu entdecken. Die Frau bewegte sich. Wir erkannten, dass sie noch sehr jung war, dem Teenageralter kaum entwachsen. Sie drehte uns die rechte Seite und den größten Teil des Rückens zu, aber das irritierte uns nicht. Es hing mit ihren Bewegungen zusammen, die wir schlecht auf die Reihe bekamen.
    Sie ging nicht nur langsam, sondern auch vorsichtig und hob bei jedem Schritt ihre Beine immer sehr hoch an. Und noch etwas war ungewöhnlich. Sie hielt beide Arme ausgestreckt, wie es Menschen tun, die nichts sehen können und sich durch fremdes Terrain bewegen.
    »Eine Blinde?«, murmelte ich.
    Das brachte Bill auf eine Idee.
    »Lorna!«, rief er so laut, dass das Mädchen ihn hören musste.
    Und er hatte Erfolg.
    Sie blieb sofort nach dem Ruf stehen. So steif, als hätte sie sich in ein Stück Holz verwandelt. Die Arme sanken zuerst nicht nach unten, dann sehr langsam.
    »Ich bin hinter dir, Lorna.«
    Nach diesem Satz geriet sie wieder in Bewegung, und sie drehte sich langsam um.
    Ich hörte meinen Freund zischend atmen, achtete aber nicht auf ihn, sondern schaute in das blasse Gesicht des Mädchens. Dort fiel besonders die Brille auf. Nicht wegen des

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